Freitag, 4. Januar 2013

Fallstricke der Frankenuntergrenze


Die Frankenabwertung zum Euro durch die Nationalbank wirkt.

Aber nur, wie das Medikament Cortison gegen Entzündungen. Will heissen die schmerzhaften Symptome werden geschwächt, die Ursachen bleiben bestehen und die unerwünschten Nebenwirkungen wachsen.

Einfach aussteigen, aus der Verteidigung der Frankenuntergrenze kann die Nationalbank nicht. Die zu erwartende Frankenaufwertung müsste die Exportindustrie mit ihren Arbeitsplätzen in eine Existenzkrise stürzen. Darin sehen sich die Nationalbankökonomen und eine Grosszahl von Experten einig.

Zum Aussteigen sei es heute noch zu früh, sagt beispielsweise der Berner Ökonomieprofessor und einstige SECO-Chefökonom Aymo Brunetti im Zürcher Tages-Anzeiger, doch «In den nächsten zwei, drei Jahren müssen wir aussteigen».

Brunetti empfiehlt die schrittweise Senkung der Kursuntergrenze. „Irgendwo käme wohl ein Niveau, bei dem die Nationalbank überhaupt nicht mehr intervenieren müsste, womit der Mindestkurs de facto aufgehoben würde.“

Doch das ist Wunschdenken eines unreformierten neoliberalen Professors. Schon erstaunlich, wie sich ein intelligenter Mensch wie Brunetti an den gescheiterten Marktfundamentalismus klammert. Obwohl das Marktmodell die aktuellen Entwicklungen von Weltwirtschaft und Weltfinanz nicht mehr zu erklären vermag, weil die Macht den Markt entthronte.

Die fünfjährige Weltwirtschafts- und Finanzkrise pulverisierte auch die marktwirtschatlich basierte alte Geldpolitik der Nationalbank.

Deren erstes Ziel bis zum Ausbruck der Finanzkrise war der stabile Geldwert, unter Berücksichtigung der Konjunkturentwicklung, also möglichst wenig Arbeitslose.

Die konkrete Umsetzung basierte auf dem Prinzip eines möglichst kontinuierlichen Gleichschrittes von Geldmenge und Realwirtschaft.

Der Zusammenbruch des derivatgetriebenen US-Hypothekargeschäftes und der Bankrott der Investment Bank Lehman Bros. setze dann vor fünf Jahren einen Prozess in Gang, der nicht nur die Nationalbank, sondern auch die Zentralbanken weltweit revolutionierte.

Die Finanzministerien und Zentralbanken der Standortstaaten retteten 2008 gut zwei Dutzend welt-systemrelevante Privatinstitute in den USA und Europa mit einem marktwirtschaftlich systemwidrigen Notprogramm vor dem Konkurs, das anschliessende Krisenmanagement öffnete die Geldschleusen. Nullzins für die Refinanzierung der Banken und Direktkauf von Staatsobligationen durch die Zentralbanken machten dem stabilen Geld den Garaus.

Die Schweizerische Nationalbank vollzog die Wende mit der üblichen helvetischen Verspätung im September 2011, als sie ihre Geldpolitik auf die Schwächung des Frankens zum Euro refokussierte. Die seitherige beispiellose Ausdehung der Zentralbankengeldmenge schuf ein enormes Inflationspotential, das sich früher oder später realisieren muss. Es sei denn die Nationalbank neutralisiert den Geldüberhang mit unorthodoxen interventionistischen Methoden auf Kosten der privaten Banken. Doch davon mehr später.

Aus geopolitischer Sicht markiert die geldpolitische Wende der Zentralbanken den Übergang von der anglo-amerikanisch dominierten Wirtschaftsglobalisierung zur Neustrukturierung von Weltwirtschaft und Weltfinanz in multipolare regionale Wirtschaftsräume. Im Entstehen sind neue Wirtschaftsräume aus den staatskapitalistischen nationalen Volkswirtschaften Chinas, Russlands und einiger anderer Staaten, die von der Finanzkrise des anglo-amerikanisch dominierten Wall Street/City of London-Systems weniger betroffenen waren.

Wachsender Protektionismus auch auf den Devisenmärkten

Auch die heutigen Devisenmärkte basieren nicht mehr auf dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage. Gleich der Nationalbank suchen immer mehr Zentralbanken den Aussenwert ihrer Währungen im nationalen Interesse zu schwächen. Allen voran die Peoples Bank of China, das US Federal Reserve System und die Zentralbank der Russischen Föderation.

Es dreht sich die Abwertungsspirale. Die Zentralbanken der Schweiz, Südkoreas und Israels verschoben den Fokus ihrer Geldpolitik von der Geldwertstabilität auf Währungsschwächung. Der neue japanische Premierminister will die Bank of Japan zur Abwertung des Yen zwingen. Mark Carney, der neue Chef der Bank of England liess verlauten, er wolle in die gleiche Richtung gehen. Und der Euro schliesslich, ist durch die Schuldenkrise geschwächt.

Fallstricke der Frankenuntergrenze

Als Folge der seit September 2011 nötig gewordenen enormen Eurokäufe stiegen die Devisenreserven auf 425 Milliarden Franken. Das sind etwa zehn mal soviel wie vor der Finanzkrise. Manche wollen die Devisenreserven in einen staatlichen Schweizer Investitionsfonds umorganisieren mit dessen Erträgen die Steuern gesenkt werden könnten. Doch dieser Plan ist brandgefährlich und blendet die unerwünschten Nebenwirkungen der Explosion der Devisenreserven aus.

Mit dem heutigen Geldsystem ist die Frankenuntergrenze zur Verteidigung der Arbeitsplätze in der Exportindustrie nur durch eine unerwünschte, leistungslose Bereicherung der Banken auf Kosten der Gesamtwirtschaft zu haben.

Dies als Folge der privatkapitalistischen Schlagseite des hierzulande praktizierten, weltweit meistverbreiteten Geldschöpfungsmechanismus. Der durch eine symbiontische Koppelung des staatlich geschöpften Zentralbankengeldes mit dem privat geschöpften Bankkreditgeld charakterisiert ist. Jeder von der Nationalbank gekaufte Euro lässt ein entsprechendes Guthaben bei einer privaten Bank mit Giralgeldkonto bei der Nationalbank entstehen.

Die zum Eurokauf nötigen Frankenbeträge schafft die Nationalbank dank gesetzlichem Geldschöpfungsprivileg durch Computerklick aus dem Nichts. Und kauft dann mit dem selbstgeschöpften Zentralbankengeld Euros bei den 320 in- und ausländischen Banken und Finanzgesellschaften, die bei ihr ein sogenanntes Girokonto unterhalten. Dadurch blähte sich, parallel zu den Devisenreserven, auch die Zentralbankgeldmenge M0 per Ende 2012 auf rund 350 Milliarden Franken.

Das Zentralbankengeld zirkuliert nur zwischen der Zentralbank, den privaten Banken und der Staatskasse. Mit ihrem Zentralbankengeldbestand als Reserve können private Banken Kredite gewähren. Weil ein Bankkredit nicht mit 100 Prozent Zentralbankengeld unterlegt sein muss, sondern nur mit einem, von der Zentralbank zu definierenden Bruchteil von 100, sind private Bankkredite immer auch Neugeldschöpfung.

Sobald die privaten Banken beginnen, was bislang noch nicht der Fall war, ihr  durch die massiv erhöhten Giralgeldbestände massiv gewachsenes Kreditgewährungspotential voll auszuschöpfen, bekommen wir Inflation, vielleicht sogar Hyperinflation.

Die Promotoren der Vollgeldinitiative möchten die privatkapitalistische Schlagseite des Geldsystems dahingehend ändern, dass jeder Bankkredit zu 100 Prozent mit Zentralbankengeld unterlegt sein muss. Damit könnte nur noch die Nationalbank Geld schöpfen, staatliche Geldschöpfung und private Kreditschöpfung wären getrennt. Mit einem solchen System hätten wir das Problem des durch die implementierung der Eurokursuntergrenze erzwungenen Wachstums der Giralgeldmenge nicht. Und damit auch keine leistungslose Bereicherung der Banken.

Die enorm gewachsene Giralgeldmenge hat zwei unerwünschte Nebenwirkungen. Sie schafft erstens ein explosives Inflationspotential und stärkt zweitens die Bankenmacht.  Beides schadet der Entwicklung des Wirtschaftsraumes Schweiz.

Was tun?

In den Bereiche Geldsystem und Währungsreserven sind Eingriffe in die fundamentale Mechanik des Schweizer Finanzsystems vonnöten, welche die Nationalbank mit dem Vorkrisen-Instrumentarium nicht leisten kann.

Die Eindämmung des Inflationspotentials erfordert Interventionen ins Geldsystem. Die infolge der Eurokäufe gewachsene Giralgeldmenge muss sterilisiert werden, darf also den privaten Banken nicht als Basis zur Gewährung zukünftiger Kredite dienen. Dazu gibt es verschiedene Methoden, etwa die massive Erhöhung der Mindestreserven oder ein vom Bundesrat eingefordertes Krisenopfer der Banken. Hier den optimalen Mix vorzuschlagen, liegt an den Nationalbankökonomen und den vom Bundesrat eingesetzten Finanzplatzkommissionen.

Wird das Inflationspotential auf eine solche Weise eingedämmt, schwächt das automatisch auch die Macht der Banken. Den Finanzplatzkriminellen die Knöpfe einzutun wird immer wichtiger nach den Schuldeingeständnissen der UBS, sowie den Aussagen der Wegelin-Banker Konrad Hummler und Otto Bruderer vor einem New-Yorker-Gericht, hierzulande hätten nicht bloss sie, sonder alle Banken seit je systematisch Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet.

Was die Währungsreserven betrifft, so müssen diese geldpolitischen Zwecken dienen. Und nicht der Etablierung eines staatlichen Schweizer Investitionsfonds. Allenfalls könnten a fonds perdu Beiträge an national relevanten Investitionsvorhaben in den Bereichen Infrastruktur, Energie oder Bildung ausgeschüttet werden.

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