Samstag, 5. Januar 2013

Konfuser NZZ-Kommentar von Martin Lanz


„Verwundert reibt man sich die Augen“, schreibt NZZ-Wirtschaftsredaktor Martin Lanz in einem Kommentar vom 5. Januar, wenn man die jüngsten Verlautbarungen der Zentralbankenchefs der USA, Britanniens und Japans liest. 

Was der blitzgescheite junge Universitätsdozent und Wirtschaftsjournalist Lanz nicht verstehen kann, ist die strategische Wende der Geldpolitik zahlreicher Zentralbanken inklusive der Schweizerischen Nationalbank. 

Wie Lanz richtig feststellt, verschob sich der Fokus des „Central Banking“ weltweit vom kapitalschützenden Inflationsziel zum volkswirtschaftlichen Beschäftigungsziel. Dabei geht es im Kern um die Arbeitsplätze in der jeweiligen nationalen Exportwirtschaft durch Schwächung der eigenen Währung. So in der Schweiz, in Dänemark, in Südkorea, in Britannien, in Japan oder den USA.

Diese Poltik entstand auf dem Hintergrund der mittlerweilen mehrjährigen Wachstumsschwäche in den USA, Japan und Europa. Wenn, wie es heute der Fall ist, der Privatkonsum nicht anzieht, weil die Arbeitslosenzahlen hoch sind, verpufft auch die expansivste Geldpolitik durch Nullzins und systematischen Kauf von Staatsobligationen durch die Zentralbank nutzlos.

Werden die Staatsausgaben in dieser Situation heruntergefahren, wie es heute der Fall ist, helfen, wenn überhaupt, nur noch gesteigerte Exporte gegen die Arbeitslosigkeit.

Die NZZ, wo heute ein krimineller Banker im Verwaltungsrat sitzt, vertritt traditionell die Interessen des grossen Kapitals. Und fürchtet sich deshalb viel mehr vor der kapitalentwertenden Inflation, als vor der menschenzerstörenden Arbeitslosigkeit. 

Deshalb fordert die NZZ, dass „Zentralbanken ins zweite Glied zurücktreten sollten“. Es sei Zeit für den Ausstieg der Zentralbanken vom beschäftigungspolitischen Ziel. 

Das ist neoliberaler Marktfundamentalismus in Reinkultur. Jene einstmals hegemoniale, heute gescheiterte ökonomistische Weltschau, der wir die Weltfinanzkrise verdanken. Doch das Dogma des Marktes unter Ausschluss der Macht, vermag die heutige Weltwirtschaft, Weltfinanz und auch die Kunst des Central Banking nicht mehr analysieren und erklären.

Was ausländische Zentralbanken betrifft, wirkt die Forderung „Zentralbanken ins zweite Glied“ naiv bis zur Lächerlichkeit. 

Die heutige Politik der Zentralbanken des Gratis-Geldes für Banken und Staat fusst im Katastrophenmanagement zur Verhinderung einer globalen Dominoreaktion von Bankkonkursen im Jahre 2008. Sie wurde von nationalstaatlichen Institutionen implementiert. Bei der EU agiert die Eurozentralbank de facto auf der deutschen Wirtschaftskraft. Ihre erwünschten und unerwünschten Folgen werden ebenfalls von den jeweiligen nationalen Wirtschaften getragen.

Grundsätzlich entsteht die Geldpolitik der Zentralbanken an der Schnittstelle zwischen nationalwirtschaflicher Interessenpolitik und dem transnationalen Finanzkapitalismus der Investmentbanken, Schattenbanken und Abzocker-Milliardäre. 

Mittlerweilen ist offensichtlich, dass die aktuelle Gratis-Geldpolitik für Banken und Staat nur den Finanzsektor und die Milliardäre profitieren lässt, jedoch keine Strukturprobleme nationaler Volkswirtschaften löst. Deshalb mussten immer zahlreichere Zentralbanken den Fokus der Geldpollitik unter dem Druck der Ereignisse wohl oder übel auf die Beschäftigungspolitik verlagern. Alle Zentralbanken dieser Welt, angefangen von China, Russland und den USA, bis zu Britannien, der Schweiz und Dänemark müssen heute aus realpolitischen Gründen die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ins Zentrum stellen, ob sie es zugeben oder nicht.

Wenn NZZ-Journalist Lanz verlangt, die Zentralbanken müssten die Gratis-Geldpolitik für Banken und den Staat aufgeben und zur Politik des stabilen Geldes zurückkehren, hat er seine (neoliberale) Rechnung ohne die wachsene Macht der Interessen der nationalen Volkswirtschaften gemacht. 

Was die Schweizerische Nationalbank betrifft, so läuft die Forderung von Lanz auf eine dramatische Selbstschädigung des Wirtschaftsraumes Schweiz hinaus. Wenn die Nationalbank die Verteidigung der Kursuntergrenze ersatzlos streicht, wie von Lanz impliziert, dann explodieren die Arbeitslosenzahlen im Exportsektor. Umso mehr, als heute, wie erwähnt, praktisch alle Zentralbanken die mehr oder weniger verkappten Abwertung ihrer Währung betreiben. 

Die Verlagerung der Zielfunktion der Schweizer Geldpolitik auf die Beschäftigung vom September 2011 war völlig richtig. Mal abgesehen von den wachsenden unerwünschten Nebenwirkungen der Kursuntergrenze.

Statt, wie von der NZZ empfohlen, aus der Frankenuntergrenze auszusteigen, sollte sich die Nationalbank überlegen, ob die Schwächung des Aussenwertes des Frankens nicht besser durch Einführung von differenzierten Negativzinsen auf ausländische Frankenbestände, ergänzt allenfalls durch Kapitalverkehrskontrollen zu bewerkstelligen wäre.

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