Montag, 25. Februar 2013

Negativzinsen im Währungskrieg

Entwarnung, kein Währungskrieg.

In diesem Sinne hat sich unlängst die G-20-Tagung in St. Petersburg verlauten lassen. Wo auch Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf dank Einladung von Schweiz-Freund Vladimir Putin dabeisein durfte, nicht aber Nationalbankpräsident Thomas Jordan.

Allein, der in St. Petersburg beschworene Währungsfrieden ist bloss ein neoliberales Lippenbekenntnis. Die globale Realpolitik spricht eine andere Sprache.

Regierungen und Zentralbanken der G-20 Staaten betreiben alle eine, mehr oder weniger verdeckte, nationalprotektionistische Wirtschafts- und Geldpolitik mit dem obersten Ziel des Erhaltes bisheriger, und der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Ein wichtiges Instrument auf diesem Weg ist die Schwächung der eigenen Währung zwecks Verbilligung der Exporte.

Ob man eine solche Politik Währungskrieg nennen will oder nicht, ist eine Frage der Rhetorik.

Seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise vor fünf Jahren löst sich das alte Weltwährungssystem der flexiblen Wechselkurse mit dem US-Dollar als Leit- und Reservewährung schleichend auf.

Klar, Devisenkurse waren noch nie nur das Resultat von Angebot und Nachfrage auf den Märkten, Devisenmärkte sind "schmutzig".  Will heissen, dass nicht nur realwirtschaftliche Faktoren (Handels- und Zahlungsbilanz) die Kurse treiben, sondern auch Staatsinterventionismus und Geopolitik.

Seitdem der offene Ausbruch der Finanzkrise 2008 die Zentralbankenpolitik weltweit revolutionierte, schwächt sich der Einfluss realwirtschaftlicher Faktoren auf die Devisenkurse laufend ab. Heute sind die Kurse hauptsächlich von wirtschafts- und geldpolitischen Interventionen der Regierungen und Zentralbanken bestimmt.

Kommt noch dazu, dass das dollarbasierte alten Weltwährungssystem zusätzlich auch durch den wachsenden Einsatz des chinesische Renminbi als Verrechnungswährung im Welthandel geschwächt wird.

Der Niedergang des alten Weltwährungssystems machte zunehmend auch dem herkömmlichen Typ der politisch neutralen Zentralbank den Garaus, die primär dem stabilen Geldwert und den globalisierten Finanzmärkten verpflichtet ist. Heute sind die Zentralbanken, trotz und gegen aller Schwüre ihrer Präsidenten auf die globalisierten Märkte, primär einer nationalen Wirtschaftspolitik  verpflichtet. Die staatskapitalistischen Institute Peoples Bank of China und Zentralbank der Russischen Föderation sowieso, aber auch das US-amerikanische Federal Reserve System, die Bank of England, oder die Europäische Zentralbank.

Auch die Politik der Schweizerischen Nationalbank passt gut in dieses Bild. Vom Direktoriums gibt es Lippenbekenntnisse zum Vorrang der Geldwertstabilität. In der Realität wird das stabile Geld durch das volkswirtschaftlich geprägte Ziel der Frankenuntergrenze zum Euro unterminiert.

Die seit September 2011 erzwungenen Eurokäufe mit aus dem Nichts geschaffenen Zentralbankengeld haben Umfang und Struktur der Nationalbankbilanz fundamental verändert. Die Währungsreseren sind weltweit am Höchsten und die Giroguthaben etwa 320 in- und ausländischen Banken bewegen sich ebenfalls auf historisch beispielloser Höhe.

Technisch betrachtet, beschafft sich die Nationalbank die Euros, indem sie einer Bank mit Giro-Konto den Auftrag zum Eurokauf und mit selbstgeschöpftem Geld dafür bezahlt. Was in der Bilanz dazu führt, dass die Nationalbank Euros, also höhere Währungsreserven bekommt, während das Nationalbank-Guthaben der betreffende Giro-Bank steigt. Das ist eine Erhöhung der monetären Basis der Frankenwährung, weil das Giralgeld definitorisch zum Zentralbankengeld zählt.

Der unbegrenzte Ankauf von Euros durch die Nationalbank zum definierten Mindestkurs von 1 Franken 20 ist nur zum Preis der unbegrenzten Ausdehnung der Zentralbankengeldmenge zu haben. Wenn sich das hier geschaffene Inflationspotential bislang nicht realisierte, dann darum, weil die Girobanken ihre gestiegenen Guthaben bislang bei der Nationalbank stehen gelassen haben. Sobald die Girobanken beginnen, das Giralgeld in grossem Stil an ihre Kunden zu verleihen, wächst auch die umlaufende Geldmenge und wir haben Inflation, wenn nicht gar Hyperinflation. Umso mehr als die Banken im so genannten fraktionalen (Mindest)Reservesystem pro Giralgeldfranken vielleicht etwa 9 Kreditgeldfranken schöpfen können.

Zur Absicherung des Exportsektors gegen einen Währungsschock braucht die Schweiz nach wie vor eine Kursuntergrenze zum Euro. Darüber sind sich alle politischen Kräfte in der Schweiz einig. mal abgesehen von den Marktfundamentalisten zur Rechten. Gestritten wird höchstens um die Höhe des Interventionskurses. Linke und Gewerkschaften verlangen 1 Franken 30 oder gar 1 Franken 40 zum Euro.

Weitgehend ausgeblendet wird jedoch nur allzuhäufig die unerwünschten Nebenwirkungen der unbegrenzten Eurokäufe, welche die Nationalbank zur Vertedigung der Kursuntergrenze tätigt. Nämlich das wachsende Inflationspotential.

Doppelt erstaunlich wenn man bedenkt, dass die Nationalbank mit den Negativzinsen ein besseres geldpolitische Instrument zur Verfüng hat? Besser, weil die Währungsschwächung mit konfiskatorischen Abgaben für ausländische Frankenkäufer wirksam erreicht wird, ohne dass die Nationalbank Fremdwährungen kaufen muss. Welche dann via die erwähnte Geldschöpfungsmechanik früher oder später zur Geldentwertung führen. Dass die Negativzinsen funktionieren zeigt das Beispiel der Dänische Zentralbank, welche die Dänenkrone seit einiger Zeit mit dem Einsatz variabler Negativzinsen an den Euro binden.

Solche Negativzinsen hat auch die Schweiz Ende der Siebzigerjahre erfolgreich eingesetzt. Damals wurden Frankenanlagen von Ausländern mit einer Zwangsabgabe von 10 Prozent pro Quartal erfolgreich abgeschreckt.

Theoretisch möglich wären auch Negativzinsen auf die Giroguthaben der Banken - was Silvio Gesell im Grabe freut. Damit könnten die Banken diese Kosten auch auf ihre inländischen Kontoinhaber überwälzen. Die Zürcher Kantonalbank hat ihre Reglemente per 1. Januar 2013 dahingehend geändert, dass Negativzinsen rechtlich möglich werden. Hier müsste die Politik dafür sorgen, dass die Kosten des Krisenmanagements nicht nochmehr auf die kleinen und mittleren Sparer abgewälzt werden, die bereits heute faktisch keinen Zins mehr bekommen.

Bemerkenswert ist die Uneinigkeit des Nationalbankdirektoriums in Sachen Negativzins. Während Fritz Zurbrügg am 5. Februar verlauten liess, es werde hierzulande keine Negativzinsen geben, betont Thomas Jordan bei jeder Gelegenheit, die ablsolute Entschlossenheit der Nationalbank  zur Verteidigung der Kursuntergrenze mit allen Mitteln.

Ein Patentrezept sind Negativzinsen nicht. Aber wenn nach Griechenland, Irland, Portugal und Spanien auch noch Italien politisch und wirtschaftlich instabil wird, Frankreich in die Krise abrutscht und, Gott verbiete, auch unser mächtiger nördlicher Nachbar zu wanken beginnt, dann crasht der Euro und der Franken wird aufs Neue zur Fluchtwährung.

Wenn es soweit kommt, verspricht das Instrument der Negativzinsen Abhilfe.

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