Samstag, 6. April 2013

Tamedia: Offshore-Profi als Präsident und Offshore-Vehikel im Aktionariat

Seit drei Tagen befasst sich der Tages-Anzeiger intensiv und über viele Seiten mit dem Offshore-Leaks-Skandal, also mit den etwa 130'000 Personen und 122'000 Offshore-Trusts die ein US-amerikanisches NGO in Washington mit dem Namen ICIJ publik gemacht hat.

In seinem Kommentar schreibt TA-Reporter Constantin Seibt: "Die Steuervermeidungsindustrie ist ein Feind der Zivilisation."

Dabei bleibt unerwähnt, dass auch die Firma Tamedia AG  zwei gut dokumentierte Berührungspunkte zum - zivilisationsfeindlichen - Offshore-Gewerbe hat. 

Tamedia-Präsident Pietro Supino promovierte als St. Galler Jurist zur Problematik der Koppelung des britischen Trustlaws mit dem Schweizer Gesellschaftsrecht. Die Schweiz kennt diese Gesellschaftsform nicht, die ausländischen juristischen Vehikel werden jedoch zivilrechtlich anerkannt. Mit seinem in den Neunzigerjahren gesuchten Offshore-Spezialwissen arbeitete Supino jahrelang als Anwalt und später Private Banker auf dem Finanzplatz Zürich, bevor er an die Spitze seines Familienunternehmens Tamedia wechselte. 

Vor fünf Jahren veröffentlichte ich in der WOZ einen Artikel über den Moonstone Trust, einem bei der Bank Bär auf den Cayman Inseln geparkten Offshore-Vehikel, dessen Geheimnisse Anfang 2008 von Whistleblower Rudolf Elmer auf Wikileaks enthüllt worden sind. Gegründet wurde der Moonstone Trust von Supino, der damals in der Anwaltsfabrik Bär & Karrer angestellt war.

Für diesen Artikel habe ich mich seinerzeit um einen Gesprächstermin bei Supino bemüht. Leider erfolglos. Nachdem ich ihm Nick Davies von der Londoner Zeitung "The Guardian", ins Haus geschickt hatte, bekam ich dann einige Zeit später trotzdem noch die Gelegenheit, mit Supino über diese Angelegenheit zu sprechen.

Davies hat ihm die Absolution erteilt - Geschäft ohne Zivilisationsschaden. Übrigens: auch der leidenschaftliche Offshorejäger Guardian ist nicht ganz koscher. In der gesellschaftsrechtlichen Struktur dieser Mediengruppe gibt es Offshore Vehikel und sein ehemaliger Chef Paul Myners wurde von der letzten Labour-Regierung zum Minister für die Beziehungen der Regierung zur City gemacht.

Und ich?

Tja, Supino und ich sind uns nicht ganz einig geworden. Sicher ist der Fall Pietro Supino anders gelagert als der Fall Konrad Hummler, der die Beihilfe zur Steuerhinterziehung selber zugab und deswegen unehrenhaft aus dem Amt des NZZ-Präsidenten scheiden musste. Aber laut Wikileaks-Daten stehen gegen Supino bislang nicht befriedigend geklärte Vorwürfe im Raum. Komplizierte trustrechtliche Sachverhalte, auf die ich an dieser Stelle nicht eingehen möchte. (Darüber weiss der ehemalige Bär-Cayman-Manager und Whistleblower Rudolf Elmer eh besser Bescheid, der mittlerweilen auch bei den Tamedia-Journalisten vom psychisch kranken Datendieb zum heldenhaften Whistleblower avancierte)

Daneben gibt es auch für Laien verständliche Vorwürfe, beispielsweise dass Supino den Cayman-Trust Moonstone gründete, ohne die sowohl vom Cayman- als auch vom Schweizer Recht obligatorische Passkopie zur Identifikation des wirtschaftlich Berechtigten vorzulegen. Aus dem Mailverkehr zwischen Bär-Cayman und Bär & Karrer, Zürich geht hervor, dass der damalige Seniorchef Thomas Bär gesagt habe, der deutsche Kunde sei ok, also kein Steuerhinterzieher. Darnach wurde der Trust gegründet.

Beim besagten deutschen Kunden Robert Schuler-Voith gab es 2009/2010 zwei Razzias der Steuerpolizei in München. Das Verfahren wurde später in Ermangelung eines Tatverdachtes eingestellt. Die Bank Bär Deutschland hat in Deutschland dem Finanzamt 50 Millionen Euro Strafgeld bezahlen müssen.

Gegenüber der Webseite persoenlich.com nahm Pietro Supino am 7. Februar 2010 zu den Vorwürfen Stellung: "Als junger Anwalt war ich von 1996 bis etwa Mitte 1998 als persönlicher Mitarbeiter und Assistent des Gründungspartners Dr. Thomas Bär bei Bär & Karrer tätig. Die Verantwortung für die Kunden und den Kundenkontakt lag dabei, wie bei Bär & Karrer üblich, stets beim Senior Partner Dr. Thomas Bär, der zu diesem Zeitpunkt auch Verwaltungsratspräsident der Bank Julius Bär war. Nach den jüngsten Berichten um die Gründung eines Trusts auf den Cayman Island hat mir Bär & Karrer am Freitag noch einmal schriftlich bestätigt, dass ich als Associate/angestellt Rechtsanwalt unserer Anwaltskanzlei und nur auf Anweisung und unter Aufsicht der Kanzlei tätig gewesen bin."

Die zweite Vollkontakt von Tamedia mit der - zivilisationsfeindlichen - Offshore-Welt, sind die beiden Offshore-Vehikel im Tamedia-Aktionariat. Die Ellermann-Rappenstein Stiftung, Vaduz und die Ellermann Lavena Stiftung, Vaduz, mit zusammen rund 13 Prozent des Kapitals. Dazu eine Frage: Wozu die Offshore-Vehikel?

Und zum Schluss noch was liebe TA-Journalisten: vergesst vor lauter Freude über die Enthüllungen der US-amerikanischen Journalisten-NGO die Geopolitik nicht. Man müsste mal recherchieren ob bei der ICIJ von GONGO, also Governent Non Government Organisation gesprochen werden müsste? Und da gibt es noch eine grundsätzliche Frage: Welche Struktur hilft der journalistischen Wahrheitsfindung besser, Wikileaks-Anarchie oder die ICIJ-Bürokratie? Misstrauisch macht in dieser Beziehung die Forderung des in Zürich lebenden britischen Finanzjournalisten Nicolas Shaxson im TA-Interview vom letzten Donnerstag. Shaxon propaigert eine Allianz der USA mit den Organisationen der Zivilgesellschaft gegen das Offshore-Geschäft. Die USA seien nicht so schlimm, es gebe in den USA neben Steueroasen auch Gegenkräfte.

Nur, der weitaus grösste Akteur im Offshore Business sind nach wie vor die USA. Diese Priorität definiert die Erfolgsschancen bei der nachhaltigen Trockenlegung des - zivilisationsfeindlichen -Sumpfes. British Virgin Islands und Singapore, die im Fadenkreuz des Offshore-Leaks-Skandals stehen sind wichtig. Aber Delaware, Miami, Nevada und die Wall Street sind noch bedeutender.

Abzuwarten bleibt, ob die morgige Sonntagszeitung aus dem Hause Tamedia den Mut hat, auch vor der eigenen Haustüre zu wischen?

(Korrektur: Die erste Version dieses Blogpost äusserte die Vermutung, das Steuerrmittlungsverfahen gegen Dr. Robert Schuler-Voith sei nach Bezahlung von Straf- und Nachsteuern eingestellt worden. Rechtsanwalt Dr. Ulrich Reber machte mich am 5.8.2014 namens seines Mandanten Dr. Robert Schuler Voith darauf aufmerksam, dass die Einstellung des Verfahrens in Ermangelung eines Tatverdachtes erfolgte.)

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