Freitag, 12. Juli 2013

Sackgasse Zentralbanken-Geldschwemme - Ausweg Bankensystem-Reform

Das Krisenmanagement der Zentralbanken mit ultraexpansiver Geldpolitik hat funktioniert. Seit 2008 verhinderte der Nullzins für Banken und der Direktkauf von Staatsobligationen (Englisch Quantitative Easing) einen Zusammenbruch des herkömmlichen globalisierten Finanzsystems.

Die Zentralbanken-Geldschwemme kaufte dem Bankensystem und der Staatskasse Zeit in der Not. Ein verbindliches Konzept zum Ausstieg - der kommen muss - existiert jedoch bis heute nicht. Bloss Ankündigungen, Ideen und ein paar Gesetze, die von der Bankenlobby postwendend wieder verwässert wurden.

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Ben Bernake, Präsident der US-Zentralbank (Fed) und Mark Carney, Präsident der Bank of England (BoE) haben in den vergangenen Wochen bekräftigt, die Banken ihres Währungsraumes auf absehbare Zeit zum Nullzins zu refinanzieren.

Sie haben auch gar keine andere Wahl. Die Banken hängen am staatlichen Nullzins, wie die Süchtigen am Gift. Zum einen weil die Realwirtschaft seit fünf Jahren stagniert und die Arbeitslosenzahlen wachsen. Und zum anderen weil sie noch immer viel zu viele riskante Schrottpapiere in den Bilanzen haben. Der Wegfall der Nullzinspolitik birgt das Risiko eines unkontrollierten Schockes einer Banken- und Kreditkrise auf die Volkswirtschaft.

Der Preis für die Nullzinspolitik ist hoch. Die resultierende Geldschwemme führt zu Preisblasen auf Immobilienmärkten und Aktienbörsen. Und expropriiert gleichzeitig die Kleinsparer, die keinen Zins auf ihre Einlagen mehr bekommen. Volkswirtschaftlich wächst mit wachsender Geldmenge auch das Inflationspotential.

In Europa spaltet die Direktfinanzierung überschuldeter EU-Staaten durch die EZB, gekoppelt mit dem Diktat einer Spar- und Abbaupolitik die Union politisch, und lässt gleichzeitig die Realwirtschaft der überschuldeten Staaten schrumpfen. Was die sozialen Spannungen verschärft und das Risiko der einer neuerlichen Finanzkrise erhöht.

Wie man es auch immer dreht, die Nullzinspolitik ist eine Sackgasse. Der beste Ausweg ist die Reform des Bankensystems. Das gilt auch für die Schweiz.

(Okay, es gibt auch andere Auswege: Revolution, Wechsel vom anglo-amerikanischen Finanzkapitalismus zum russo-chinesischen Staatskapitalismus, neues Geldsystem, u.a.m. Aber das ist eine andere Geschichte.)

Auch hierzulande ist die Nullzinspolitik erzwungen als Bedingung der Verteidigung der Frankenuntergrenze zum Euro mit neugeschöpftem Zentralbankengeld. Auch hierzulande ist das Grossbankenproblem ungelöst, UBS und Credit Suisse sind nach wie vor Tbtf, also "to-big-to-fail". Geht morgen eine hops, müssen Bundeskasse und Nationalbank, das heisst wir alle, wieder einspringen.

Vor drei Jahren präsentierte die SP-Schweiz das Rezept von Urs Birchler, Professor am Institut für Bankwesen der Universität Zürich gegen zu grosse Banken. Mit so genannten Wandelschulden wollte Birchler verhindern, dass der Staat die Grossbanken nochmals retten muss.

Wandelschulden (Englisch Contingent Convertibles oder cocos) sind von der Bank ausgegebene Obligationen (Fremdkapital), die wenn nötig zwangsweise in Aktien (Eigenkapital) umgewandelt werden müssen. Das stärkt in Krisenzeiten das verlusttragende Eigenkapital.

Für das zu lösende Tbtf-Problem ist Prof. Birchlers Medizin allerdings viel zu schwach. Als flankierende Massnahme sind Cocos okay, aber lösen können sie das Tbtf-Problem nicht. Der Zeitpunkt der Zwangswandlung durch die Finma ist unsicher,  die Rechtssicherheit der Zwangswandlung nicht gegeben, weil das grosse Volumen der nötigen Cocos vom schweizerischen Kapitalmarkt nicht verdaut werden kann und dem anglo-amerikanischem Finanzmarktrecht unterstellt werden muss.

Nein, ein neues Finanzinstrument kann das Tbtf-Problem nicht lösen. Dazu braucht es einen grundlegend neuen Ansatz zur Defininition des Eigenkapitals von Banken. Beispielsweise in Richtung der Vorschläge von Anat Admati und Martin Hellwig (The bankers' new clothes).

Also ein risikoungewichtetes Eigenkapital im Bereich von 20 bis 30 Prozent der Bilanzsumme. Anders ist die Rückkehr des Bankwesens zur Marktwirtschaft nicht zu bewerkstelligen.

Das zweite zur dauerhaften Lösung des Tbtf-Problems nötige Element ist die Entflechtung von Geschäftsbanken und Investmentbanken. Nur so lassen sich die Risiken des hochriskanten Finanzcasinos, sprich Investmentbanking und Wertschriftenhandel, fernhalten vom eher langweiligen Spar-, Kredit-, und Vermögensverwaltungsgeschäft.

Montag, 8. Juli 2013

Fälle R. Elmer, M.K. Rózsa, Ch. Blocher zeigen: Zürcher Polizei, Strafverfolgung und Justiz verfilzt

Fall 1, Christoph Blocher. Das Bundesgericht hat eine Beschwerde Blochers gegen ein Urteil des Zürcher Obergerichtes gutgeheissen. Gegen den Zürcher Oberstaatsanwalt Martin Bürgisser wird eine Strafuntersuchung eingeleitet.

Bürgisser hatte einen ehemaligen Mitarbeiter per E-Mail darüber informiert, dass die Oberstaatsanwaltschaft die Einleitung eines Verfahrens gegen Blocher wegen möglicher Amtsgeheimnisverletzung im Falle Philip Hildebrand beschlossen hatte.

Das Bundesgericht hält fest, dass Bürgisser damit möglicherweise selber eine Amtsgeheimnisverletzung begangen habe. Während das Zürcher Obergericht diese Frage verneint, und eine Untersuchung der Vorwürfe gegen Bürgisser verweigert hatte.

Fall 2, Miklós Klaus Rózsa. Die Bundesrichter haben eine Beschwerde des Pressefotografen Miklós Klaus Rózsa gegen ein Urteil des Zürcher Obergerichtes gutgeheissen. Die von Obergericht bestätigte Einstellung eines von Rózsa angestrengten Strafverfahrens gegen zwei Zürcher Polizisten wird aufgehoben.

Der Pressefotograf reichte die Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung, Nötigung, Amtsmissbrauch und Körperverletzung ein, weil ihn die Polizeit bei der Ausübung seiner Arbeit verhaftet, 90 Minuten auf dem Polizeiposten festgehalten und verletzt hatte.

Das Bundesgericht stellte fest, eine Einschränkung der Medienfreiheit liege nicht im Belieben der Polizei, sie komme nur in Frage,wenn die "hautnahe Präsenz" des Fotografen polizeiliches Handeln «in schwerwiegender Weise» behindere. Es sei "unklar", ob Rózsa den Polizeieinsatz überhaupt behindert habe. Dazu genüge dass "subjektive" Gefühl der Polizisten nicht. Rózsa habe sich mehrfach ausweisen wollen, damit habe sich der Transport auf den Polizeiposten "erübrigt". Dahingehende Zeugenaussagen hätten die Strafverfolger ignoriert. Insgesamt fehle ein Rechtfertigungsrund für eine Verhaftung.

Fall 3, Rudolf Elmer. Das Bundesgericht hat eine Beschwerde Rudolf Elmers gegen ein Urteil des Zürcher Obergerichtes gutgeheissen. Gegen die Bank Julius Bär wurde ein eingestelltes Verfahren wegen Nötigung und Körperverletzung im Zusammenhang mit einer von der Bank Bär veranlassten Observierung Elmers durch Privatdetektive wieder aufgenommen.

Die Zürcher Staatsanwaltschaft Zürich hatte im Rahmen ihrer Ermittlungen nach der Anzeige Elmers nur die angeschuldigten Privatdetektive befragt, nicht aber weitere Zeugen, und auch nicht die Opfer, also die Familie Elmer. Polizeirapporte über die Handlungen der Privatdetektive haben die Zürcher Staatsanwälte ignoriert. Das Obergericht hat die verfügte Einstellung des Verfahrens sanktioniert.

Dazu die Willkürrüge des Bundesgerichtes gegen die Organe der Zürcher Justiz: "Die Vorinstanz habe den Paragraph 31 StPO/ZH willkürlich angewandt, d.h. willentlich und vorsätzlich die Untersuchungshandlung unterlassen und gezielt nur entlastende Personen einvernommen."

Später haben sich Elmer und die Bank Bär aussergerichtlich geeinigt, worauf der Kläger seine Strafklage zurückzog und sein Desinteresse an einer weiteren strafrechtlichen Verfolgung der Beschuldigten erklärte, nämlich Bank Julius Bär, Michael Bär, Raymond Bär, Rudolf Bär, Walter Knabenhans, Georg Schmid, Christoph Hiestand, Daniel v. Stockar Privatdetektei Ryffel & Co und Peter Stelzer.

Ja und, könnte man jetzt sagen. Es ist doch nichts als normal, dass Bundesgericht und Obergericht zu unterschiedlichen Urteilen kommen. Doch die drei hier erwähnten Fälle beleuchten eine gefährliche Verfilzung kantonalzürcherischer Polizei- und Justizorgane: Obergericht schützt Staatsanwaltschaft schützt Polizei.

Fusionieren Staatsanwaltschaft und Polizei in einigen Jahren im neuen Polizei- und Justizzentrum beim ehemaligen Zürcher Güterbahnhof auch noch räumlich, droht eine weitere Verschärfung der unerwünschten und staatspolitisch gefährlichen Verfilzung von Justiz und Polizei.

Mittwoch, 3. Juli 2013

Warum ignoriert der Zürcher Tages-Anzeiger den Zürcher Whistleblower Rudolf Elmer?

An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen, sagt die Bibel. "Journalisten haben heute den Job, Historiker der Gegenwart zu sein", sagt Tamedia-Journalismusethiker Dr. Constantin Seibt.

Unter dem Titel "Die Auspacker" präsentiert die heutige Hintergrundseite des Tages-Anzeigers (ohne byline) neun Whistleblower aus der ganzen Welt. Warum wohl, fehlt hier der Zürcher Whistleblower Rudolf Elmer?

Ja, warum hat die Sonntagszeitung Elmer 2005 als psychisch kranken Datendieb tituliert, ohne zuvor mit ihm geredet zu haben?

Warum mutierte Elmer 2008 im Tages-Anzeiger kommentarlos zum Whistleblower, nachdem er auf der Enthüllungsplattform Wikileaks ausgepackt hatte?

Warum pushte Tamedia die Offshore-Leaks-Story, die vielleicht einfach eine grosse Ami-Show war, verschweigt hingegen heute den Fall Elmer?

Mittlerweilen ist bekannt, das das etwas mit der früheren Karriere von Tamedia-Verleger Pietro Supino als Spezialist für identitätsverschleiernde Offshore-Konstrukte zu tun hat. Elmer hat die Geschichte auf Wikileaks enthüllt (Bär & Karrer, Moonstone Trust).

Wenn die T-A-Hintergrundredaktion bei der heutigen Präsentation von neun Auspackerinnen und Auspackern den mittlerweilen weltberühmten Rudolf Elmer schlichtweg ignoriert, liegt die Vermutung nahe, dass dies aus Loyalität zu, oder aus Angst vor Pietro Supino geschah.

Okay T-A-Hintergrundredaktion, kann ich gut verstehen - darum blieb unsereiner immer Freier.

(Kleine Anektote: Vor Jahren gab es bei Jean Frey mal einen Pensionskassenskandal. Damals war Res Strehle Ressortleiter Wirtschaft des Jean-Frey-Produktes Weltwoche. Er wollte bei mir einen Artikel über den hausinternen Skandal bestellen, weil es, wie er sagte, dazu jemanden von Aussen braucht. Der Chefredaktor wollte nicht. Heute ist Strehle selber Chefredaktor und wird sich hüten, einem Auswärtigen den Auftrag für ein Feature über das frühere Leben seines Verlegers als Offshore-Anwalt zu geben.)

Und noch was, die Typisierung der Spezies Whistleblower in dieser tabellarischen Darstellung vermag nicht zu überzeugen. Der zentrale Unterschied zwischen der materiellen Motivation, und der ideellen Motivation ist völlig verwischt.

Nein, diese Hintergrundseite vermag die Forderung des Journalismusethikers Seibt nach zeitgeschichtlicher Relevanz im Journalismus nicht zu erfüllen.

Montag, 1. Juli 2013

Nationalbank mit Quartals-Rekordverlust - Die Zeitbombe tickt

"Die Nationalbank führt die Geld- und Währungspolitik im Gesamtinteresse des Landes. Sie gewährleistet die Preisstabilität. Dabei trägt sie der konjunkturellen Entwicklung Rechnung." So steht es im Nationalbankgesetz geschrieben.

Bei der praktischen Umsetzung dieses Mandats sind die monetären Kategorien Gewinn und Verlust zweitrangig. Dies darum, weil die Nationalbank keine profitstrebige Bank ist, sondern eine Zentralbank, die ihre Bilanzwährung kraft Gesetz selber druckt.

Ob 10 Milliarden Franken Quartalsverlust oder 20 Milliarden Quartalsgewinn spielt bei der Nationalbank solange keine grosse Rolle, als Preisniveau und Arbeitslosenzahlen in etwa stabil bleiben.

Weil das zurzeit der Fall ist, spielt der hohe Verlust im 2. Quartal 2013 - wahrscheinlich ein zweistelliger Milliardenbetrag - keine grosse Rolle, selbst wenn Bund, Kantone und Aktionäre deswegen für 2013 (bei bleibenden Verlusten) keine Dividende kassieren werden.

Wenn die Nationalbank trotzdem auf einer tickenden Zeitbombe sitzt, dann nicht wegen der Risiken von Buchverlusten. Sondern infolge wachsender Risiken der ultraexpansiven Geldpolitik. Diese durch Finanzkrise und Franken-Euro-Mindestkurs erzwungene Politik unterminiert die Geldwertstabilität und korrumpiert das Schweizer Geld- und Kreditsystem. Ohne dass die Nationalbank bislang ein Ausstiegsszenario dargelegt hätte.

Die Versorgung der Schweizer Wirtschaft mit Geld und Kredit erfolgt im Rahmen eines Neudeutsch "Fractional Reserve Banking" genannten Systems. Im Teilreserve-Kreditsystem druckt die Nationalbank nach Belieben Zentralbankengeld. Technisch erfolgt die Geldschöpfung aus dem Nichts heute so, dass die Nationalbank den etwa 320 in- und ausländischen Finanzinstituten die bei ihr Girokonten, unterhalten, per Computerklick geschaffene Franken gutschreibt. Dieses Zentralbankengeld können die Banken als Kredit an Unternehmen und Hausbesitzer verleihen. Mehr noch, weil immer nur ein Teil der Kreditnehmer den gewährten Kreditbetrag von der betreffenden Bank abzieht, können die Banken jeden Zentralbankfranken gleich mehrfach ausleihen. Was sie auch gerne tun, weil sie an jedem gewährten Kredit verdienen.

Eingeschränkt wird die Kreditvergabe einer Bank zum einen durch das Ausfallrisiko, dass ein Kreditnehmer pleite geht und nicht mehr zurückzahlen kann. Bei den profitgetriebenen Banken funktioniert diese Beschränkung erfahrungsgemäss schlecht. Vor allem im Hypothekargeschäft, wo schon viele Finanzkrisen begannen. Und wo gerade hierzulande wieder einmal ein Immobilienpreiscrash droht, weil die Banken das Hypothekargeschäft forcieren auf dessen Erträge sie mehr denn je angewiesen sind.

Eingeschränkt wird die Kreditvergabe ferner auch von der Nationalbank durch den Zins für Nationalbankkredite, sowie den so genannten Mindestreservesatz, also den von der Nationalbank festgelegte Prozentsatz, mit dem eine Bank ihre Kreditausleihungen auf ihrem Nationalbankkonto unterlegen muss.

Beide Einschränkungen werden durch die gegenwärtige ultraexpansiven Geldpolitik ausgehebelt. Der Refinanzierungszinsatz liegt unter 0,5 Prozent pro Jahr und der Mindestreservesatz ist um etwa das 20-fache übertroffen. (Dies als Folge der enormen Giroguthaben, welche die Nationalbank-Eurokäufe den Girobanken in die Kasse spülten.)

Diese sytemisch unerwünschte Situation kann zurzeit nur bei Inkaufnahme gravierender Folgen korrigiert werden. Kursuntergrenze weg, wie von Joe Ackermann empfohlen, bedeutet einige zehntausend Arbeitslose in der Exportwirtschaft. Zinsen rauf bedeutet die Ausweisung von vielleicht Hundertausend Hüsli-Besitzerinnen und Besitzern, die ihre Hypothek nicht mehr bedienen können.
 
In diesem Dilemma ticken (Hyper)Inflation und Immobiliencrash.