Donnerstag, 24. Oktober 2013

Die Idolisierung des Erfolgsmenschen Dieter Meier

Nein, bitte nicht! Was zuviel ist, ist zuviel.

Der dreiteilige Dieter-Meier-Zyklus der Zürcher Volkshochschule ist beschissene Eventkultur.

Dieter Meier als idealer Schweizer - Uns geht es gut, der Welt geht es schlecht.

Die Idolisierung des Erfolgsmenschen in Zeiten von Wirtschaftskrise und Wertezerfall ist böse. Das lehrt uns die Geschichte. Mit diesem Rezept führen falsche Propheten desorientierte und pauperisierte Massen in den Abgrund. Sei es als Diktatoren in der Politik, sei es als geheime Verführer des Konsums.

Soviel ins Stammbuch der Referenten Daniel Ryser, Madeleine Schuppli und Stefan Zweifel, die den Meier-Zyklus organisieren. Übrigens, geleitet wird die Volkshochschule des Kantons Zürich vom neoliberalen Kulturmanager Pius Knüsel.

Gegen Dieter Meier als Menschen ist damit nichts gesagt. Mensch und Erfolgsmensch sind bekanntlich zwei paar Schuhe. 

Mensch Meier ist ein beneidenswertes Sonntagskind. Sozusagen der Triumph der Affirmation über die Negation. Während Hegel und Marx uns lehren, die Negation sei stärker. Vielleicht hat ja Alain Badiou recht der sagt: Weder noch, am stärksten ist die Totalität der Synthese, Affirmation und Negation sind bloss die Anstösse zur nächsten Synthese.

Warum Sonntagskind? 

- Superverhältnis zum Vater, der aus bescheidener Herkunft zum Privatbanker aufstieg. No problemo, wenn die Bank Hoffmann seinerzeit im Geschäft mit Kunden aus dem Dritten Reich gross wurde, vielleicht waren es ja jüdische Flüchtlinge. 

- 1968 keine schmutzigen Hände und schmerzhafte Umwege mit den verfehlten Idolisierungen von Lenin, Stalin und Mao, den intellektuellen Sackgassen seiner Gerneration. 

- Superconnected mit seiner künstlerischen Berufung auf dem Fasttrack der Winner. Klappts nicht mit dem Malen gibts ja noch Performance, Musik, Film und weiss was noch. Okay, hier sehe ich zwei kleine Schöneitsfehler, welche die Erfolgsbilanz trüben. 1985 bekam Meier von der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft viel Geld zur Produktion eines Films zum 125-Jahr Jubiläum. Der Film wurde nie fertig, habe beim Festbankett 1987 miterlebt, wie kleinlaut er sich vor den Bankbossen rechtfertigte. Und dann die Crux des Schreibens, habe gehört, Meier hege seit langem den Ehrgeiz einen Roman zu produzieren, doch der wolle und wolle nicht gelingen.

- Goldenes Händchen in Beziehungsfragen, Bilderbuchfamilie mit zauberhafter Frau und allerschönsten Kindern. 

- Kein Abusus mit Alkohol und Drogen, soweit bekannt.

- Midas touch mit dem geerbten Geld auf den globalisierten Finanzmärkten. Ökologisch korrekte Finca in Argentinien, Villa in Hollywood... mir wird gleich schwindlig...

Doch Spass beiseite, habe unlängst mit Freunden im Volkshaus getafelt, wo Dieter Meier sich nicht zu schön war, höchstpersönlich seine Weine zu verkaufen. Mit seiner offenen, freundlichen, völlig uneingebildeten Art hat er auch mich bezirzt. Jetzt, müsste ich noch von Meiers völlig verfehlter Brandrede gegen die 1:12 Initiative schreiben, doch dazu reicht die Zeit nicht.

Zum Schluss als Trost für alle gewöhnlich Sterblichen noch der bekannte Vers eines anderen Grosskünstlers

Wer nie sein Brot mit Tränen ass,
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf seinem Bette weinend sass,
Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.

Dienstag, 22. Oktober 2013

Central banker Paul Tucker, cold-peace-geopolitics and the solution of the TBTF problem

"It is absolutely essential that the TBTF problem is cracked."

Said Mr. Paul Tucker, Deputy Governor for Financial Stability at the Bank of England, Member of BoE's Monetary Policy Committee, Financial Policy Committee and Member of the Prudential Regulation Authority Board.  (At the Institute of International Finance 2013 Annual Membership meeting, Washington DC, 12 October 2013.)

Tucker: "Nothing is more important to the success of the international reform agenda. Without it, global finance would remain fragile; and to protect against that, the international financial system would balkanise as individual countries sought to protect themselves. The stakes are high. My final point, therefore, is that the authorities will have no excuse if they don’t solve the TBTF problem through resolution regimes and reforms. The necessary technology is clear. The necessary restructuring of firms is clear. The necessary degrees and forms of cross-border co-operation are clear. It is a matter of: just do it."

Hey, presto, just do it. One can only agree with Tucker's approach - But alas only in technical terms.

What does the deputy governor mean with "authorities"? Being a central banker probably the central banks. But today's central banks, like many other institutions, are evermore committed to the economic interests of their countries. Just check what they do over at the Peoples Bank of China, the Bank of Russia, the Fed, the Bank of England, the Bundesbank, the Swiss National Bank, etc. etc.

ECB's Mario Draghi of Goldman Sachs fame became something like the last mohican of denationalized private property on US-dominated globalized financal markets in the world of central banking.

Five years after Lehman Bros. there are no surviving international authorites fit to solve the TBTF-Problem. Even though "the necessary degrees and forms of cross-border cooperation are clear, Tuckers Obama-like can-do-approach will not work, because his much lamented balkanization of global finance is a fact. We are living in a cold-peace-world now, nobody want's to lift up another country's tab, when zero interest an QE no longer work.

The TBTF-Problem cannot be cracked technically on a international level, but only politically within the different nation states.

Montag, 21. Oktober 2013

Prof. Urs Birchler verkennt das Glass-Steagall-Bankengesetz

Ein Trennbankensystem ist ökonomisch gesehen nicht empfehlenswert", sagt Urs Birchler, Professor of Banking an der Universität Zürich.

Einspruch Herr Professor, es ist gerade umgekehrt: Das Trennbankensystem ist ökonomisch gesehen empfehlenswert. Wie ich auf diesem Blog bereits des öfteren abgehandelt habe.

Birchlers ablehnende Position zu den Trennbanken basiert auf zwei untauglichen Argumenten.

Demnach vermag die Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken die Entstehung von unerwünschten Too-big-to-fail-Banken nicht zu verhindern, also Banken die, wie UBS und CS, derart gross sind, dass ihr Bankrott die ganze Volkswirtschaft mitreisst.

Das belege, sagt Birchler, die Entwicklung in den USA, wo Too-big-to-fail-Banken bereits unter dem Regime des Trennbankensystems gemäss Glass-Steagall Bankengesetz entstanden seien. Etwa die Continental Illinois Bank, die nach ihrer Zahlungsunfähigkeit 1984 vom US-Finanzministerium mit dem Argument gerettet wurde, die Bank sei zu wichtig für die Volkswirtschaft, als dass der Staat sie hopps gehen lassen könne.

Dazu hier soviel: 1933 bis 1999 galt in den USA das Glass-Steagall Bankengesetz, das den im Spar- und Kreditgeschäft tätigen Geschäftsbanken den Wertschriftenhandel untersagte. Nur noch völlig eigenständigen Investmentbanken durften Wertschriften handeln. Die Ausnahme von der Regel war der Handel mit den Schuldverschreibungen des Staates, Treasury Bonds durften auch von Geschäftsbanken vertrieben werden. Das Glass-Steagall Gesetz war als Folge der damaligen grossen Depression erlassen worden, die auf den New-Yorker-Börsencrash von 1929 folgte.

Der Continental-Illinois-Absturz von 1984 hatte nichts mit Wertschriftenhandel zu tun, er war vielmehr die Folge einer hochriskanten Überexpansion dieser Geschäftsbank in der Kreditgewährung. In einer Rezession Anfangs der Achtzigejahre reichte das Eigenkapital nicht mehr aus, um die vielen notleidenden Kredite abzuschreiben.

UBS und CS hingegen sind nicht zu gross für die Schweizer Wirtschaft geworden, weil sie zuviele Hochrisikokredite vergeben hätten, sondern als Folge ihres Geschäftsmodelles der Koppelung einer anglo-amerikanischen Hochrisiko-Investmentbank mit der hiesigen Inlandbank. Das Problem übermässiger Marktanteile der Grossbanken im Binnengeschäft ist ein Fall für die Wettbewerbskommission, das Problem allzuriskanter Kreditvergabe ein Problem der Bankenüberwachung.

Der Fall Continental Illinois 1984 ist kein Argument gegen das Trennbankensystem. Diesen US-amerikanischen Grossbankenkonkurs mit UBS und CS 2013 zu vergleichen, heisst Äpfel mit Birnen vergleichen.

Ebensowenig taugt Birchlers zweites Argument gegen das Trennbankensystem. Es besagt, eine Trennung mit dem Kriterium Wertschriftenhandel sei praktisch gar nicht machbar, weil der Handel auf eigene Rechnung und Risiko der Bank untrennbar mit dem Handel auf Rechnung und Risiko der Kundschaft verbunden sei.

Hier verwechselt Birchler die technische Organisation des Wertschriftenhandels mit der Total-Finanzialisierung des Kreditwesens durch die Investmentbanken als Folge eines umfassenden Sekundärhandels.

Kauf- und Verkaufsorders im Kundenauftrag in der Abteilung für Vermögensverwaltung einer Geschäftsbank sind problemlos separierbar und im Trennbankenregime möglich.

Abgetrennt werden vom Spar-, Kredit- und Kommerzgeschäft einer Geschäftsbank soll das Geschäftsmodell der Investmentbank. Dieses besteht darin, sämtliche Finanzbeziehungen in Wertpapieren zu verbriefen, damit handelbar zu machen, und so den volkswirtschaftlich destruktiven Zyklus von Spekulationsblase und Kurssturz im Finanzcasino immer weiter anzuheizen.

Die hochriskante Übergrösse von UBS und CS entwickelte sich aufgrund des Geschäftes ihrer London-und-New-York-basierten Investmentbanken. Trennt der Gesetzgeber diese ab, schrumpfen die Grossbanken auf ein volkswirtschaftlich vertretbares Mass. Die Investmentbanken verlieren ihre heutige faktische Staatsgarantie. Ob nach der Trennung auch die inländischen Marktanteile der neu entstandenen Geschäftsbanken zu hoch sind, muss dann die Wettbewerbskommission entscheiden.

Vom Glass-Steagall Bankengesetz können wir lernen, dass die Bankentrennung machbar ist, das Too-big-to-fail-Problem lösen kann, und das Spar- und Kreditwesen stabilisiert. Die Schweizer Politik ist gut beraten, UBS und CS im Sinne der Grundsätze von Glass-Steagall zu redimensionieren.

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Kantonalbankenpräsident Urs Müller fordert duale Bankenregulierung - Ja, aber....

"Der Finanzplatz Schweiz braucht einen dualen Ansatz, wenn es um Regulierung geht.", fordert in der heutigen NZZ Urs Müller, Präsident des Verbandes Schweizerischer Kantonalbanken und Titularprofessor für Nationalökonomie an der Universität Basel.

Recht hat er!

Das Geschäftsmodell der singaporisch-amerikanischen UBS, und der saudisch-katarisch-amerikanischen CS birgt wachsende, unkontrollierbare Risiken für die Volkswirtschaft der Schweiz.
Das wirtschaftliche Landesinteresse verlangt die raschmöglichste Verminderung der Grossbankenrisiken durch eine Reform des Schweizer Bankensystems im Sinne des Trennbankensystems. Die unkontrollierbaren Risiken von UBS und CS müssen örtlich und strukturell abgetrennt werden.

Im Zentrum dieser politischen Reform steht der Begriff "Wirtschaftliches Landesinteresse". Nur als parteienübergreifendes Einheitsprojekt hat die Strukturreform des Schweizer Bankensystems eine Chance.

Als Cheflobbyist der Kantonalbanken vertritt Prof. Müller logischerweise Kantonalbankinteressen. Ist ok. Ich meinerseits versuche ja auch, die Arbeitnehmerinteressen zu vertreten. Klinken sich auch noch die Grossbankenlobbyisten in den Trennbankendiskurs ein, entsteht die Chance eines konstruktiven öffentlichen Diskurses über die Zukunft des Finanzplatzes Schweiz.

Ziel dieses Diskurses ist ein neues Bankensystem, das die Interessen der Realwirtschaft über jene des Finanzcasinos stellt. Arbeitsplätze und Volkseinkommen für die Allermeisten höher gewichtet, als fiktive Finanzprofite für einige Wenige.

Prof. Müller basiert seine Argumentation für die Bankentrennung auf der Differenz Inland-Ausland. Er möchte ein Sonderregime für die Kantonalbanken, weil diese vor allem im Inland tätig sind.

Diese Argumentation entspringt einer nicht zukunftsfähigen Mentalität der Besitzstandswahrung. Das Resultat einer schärferen Regulation für UBS und CS,  kombiniert mit weicherer Regulation der Kantonalbanken wäre die Mutation der ZKB zur globalisierten Grossbank vom heutigen Typ UBS/CS. Und der Zusammenschluss einiger anderer KBs zu einem weiteren globalen Player obendrein. Dann sind wir wieder gleich weit wie heute.

Seine Forderung nennt Prof. Müller "gutschweizerische, liberale Regulierung". Die gemütliche Hosensackwärme dieser Formulierung ist allerdings zur Bankensystemreform wenig hilfreich. Ganz abgesehen davon, dass die Neoliberalen Finanzkapitalisten den Liberalismus 2008 mit Volldampf in den Abgrund steuerten, ist das Erfolgsmodell Schweiz nicht bloss das Resultat der siegreichen liberalen Revolution von 1848. Ebensowichtig sind die zwei anderen Jahreszahlen 1291 und 1918.

Der Mythos 1291 symbolisiert die gleichberechtigte politische Föderation auf der Basis gemeinsamer Werte und Interessen. 1848 symbolisiert die individuelle und wirtschaftliche Freiheit auf der Basis von Verfassung und Gesetz. 1918 symbolisiert die Beschränkung der Allmacht des Kapitals auf der Basis der direkten Demokratie.

Der Dreiklang 1291-1848-1918 legt die Basis zur Definition des Begriffes "Wirtschaftliches Landesinteresse" im 21. Jahrhundert, und damit auch zur Basis der dringend nötigen Reform des Schweizer Bankensystems.

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Das Elend der Finanztheorie und die Wursterei im Parlament

Die Finanz ist die Magd der Realwirtschaft, sagte vor 50 Jahren unser alter Handelslehrer am Zürcher Wirtschaftsgymnasium. Heute läuft die Wirtschaft gerade umgekehrt, die Realwirtschaft ist die Magd der Finanz.

Die totale Finanzialisierung der Weltwirtschaft begann mit den Marktderegulierungen, die 1980 unter Margaret Thatcher in England und Ronald Reagan in den USA einsetzten. Und sich nach dem Untergang der sozialistischen Planwirtschaft 1991 weltweit durchsetzen konnten.

Seither hat sich das Prinzip Deregulierung zum System, dem anglo-amerikanischen, neoliberalen Marktfundamentalismus verfestigt. Der Staat soll sich aus der Wirtschaft raushalten, heisst die Devise. Freie Bahn dem Kapital auf freien Märkten. Bürger bereichert euch im Wettbewerb. "The winner takes all - looser piss off".

Heute steckt dieses Wirtschaftssystem in der totalen Blockade. Davon liest man jeden Tag in der Zeitung, seitdem 2008 der zuvor in Theorie und Praxis verhöhnte Staat die Wirtschaft auch hierzulande durch Sozialisierung der Bankverluste vor dem Bankrott bewahrte. Das neoliberale Krisenmanagement der Rückkehr zum Status Quo Ante ist ein Flopp. Immer mehr Menschen verstehen, billiges Geld für die Banken und Monetarisierung der Staatschuld stärkten nur das Finanzkasino und pumpen eine neue Blase.

Blockade auch in der Wirtschaftstheorie. Das totale Marktversagen von 2008 liess das für Neoliberalismus und Neoklassik konstituierende Paradigma des Homo Ökonomikus implodieren, dem stets rational handelnden Wirtschaftssubjekt. Ernst Fehr und seine neuronale Verhaltensökonomik machten dem völlig unrealistischem Menschenbild der Wirtschaftstheorie den Garaus. Damit mutierten die auf dem Homo Ökonomikus basierenden mathematischen Modellierungen der Marktwirtschaft, inklusive den Risikomodellen der Banken, zum Theorieschrott. Kein Wunder forderten die Zürcher Wirtschaftsstudenten unlängst eine breitere Ausbildung. Während das neoliberale Kampfblatt NZZ (21.9.13) postwendend den angeblich bereits existierenden Pluralismus in der Wirtschaftslehre lobte, und den Studis, empfahl, von den amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlern zu lernen.

Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch die stramm neoliberale Online-Bildungsplattform iconomix der Nationalbank, welche den gleichen abgewirtschafteten Theoriedogmen frönt, wie die NZZ.  Vielleicht sollten die zwei neoliberalen Wirtschaftsprofessoren im Nationalbank-Direktorium, Thomas Jordan und Jean-Pierre Danthine, mal darüber nachdenken, wie sich das dogmatische Festhalten von iconomix an einer gescheiterten Wirtschaftsideologie mit dem gesetzliche Mandat der Nationalbank verträgt, Geldpolitik im Landesinteresse zu machen.

Die intellektuelle Kernschmelze der Wirtschaftstheorie kommt ferner auch in zunehmend divergierenden wirtschaftspolitischen Empfehlungen der etablierten Professorenschaft zum Ausdruck: Prof X gegen Euro, Prof Y für Euro; gegen billiges Geld, für billiges Geld, etc.

Auch unsereiner durfte das Elend der Finanztheorie unlängst hautnah miterleben. Und zwar am Beispiel der nach wie vor ungelösten Too-big-to-fail-Problematik, also des weitgehend unbestrittenen, aus volkswirtschaftlichen Erwägungen nötigen Schrumpfung der übergrossen, globalisierten Finanzdienstleistern UBS und CS. Dies im Gefolge meiner Mitarbeit als parteiloser Linker in einer Arbeitsgrupppe von SP-Nationalrat Corrado Pardini, die eine Verfassungsinitiative für ein Trennbankensystems und höheren Eigenkapitalanforderungen vorbereitet.

Bekanntlich möchte SVP-Nationalrat Christoph Blocher das Too-big-to-fail-Problem durch Abspaltung des amerikanischen Investmentbankings der beiden Grossbanken lösen.  2009 hatte er in diesem Sinne eine gemeinsame Erklärung mit dem mittlerweilen verstorbenen Swatch-Eigner Nicolas Hayek und dem damaligen SP-Vize Christian Levrat unterzeichnet. Dieses Aktionsbündnis ist nur logisch: Weder milliardenschwere Unternehmer, noch kleine Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wollen dazu gezwungen sein, im Krisenfall die Verluste der Abzockbanker übernehmen zu müssen.

Angesichts der Berührungspunkte von Pardinis Bankensicherheitsinitiative im Interesse der Arbeitenden, und Blochers Sympathie für das Trennbankensystem als milliardenschwerer Unternehmer, waren konkrete Kontakte zwischen den beiden in dieser Sachte bloss eine Frage der Zeit. Mittlweilen haben diese Kontakte zu zwei (fast) identischen Motionen (Swissness-Trennbankensystem) von SP und SVP im Nationalrat geführt. An den vorlaufenden Gesprächen war ich auch dabei.

Okay Freunde, ich erzähle das hier nicht, um mich aufzuspielen, ganz abgesehen davon, dass diese Rechtskontakte in manchen linken Kreisen sowieso bloss rufschädigend für mich sind. Den Politiker Christoph Blocher bekämpfe ich seit dem legendären 68er Jahr, als wir Linksstudenen uns mit ihm, Harro von Senger, Valentin Landmann, Gerold Bührer und anderen Studentenring-Gründern herumstritten. Nein, ich erzähle die Geschichte als Beleg für die Unfähigkeit der Finanztheorie, heute einen konkreten Beitrag zur dauerhaften Lösung des Too-big-to-fail-Problems in volkswirtschaftlichem Landesinteresse zu leisten. Diese Aufgabe liegt heute beim Parlament.

Der Typ der Schweizer Universalbank hat sich in den vergangenen 150 Jahren Wirtschaftsgeschichte organisch entwickelt. Universalbank heisst alle Geschäfte, so unterschiedlich deren Risiken, werden dem gleichen Eigenkapital-Finanzdach bilanziert. Der UBS-Crash von 2008 in der Schweiz wurzelte in einer explosiven Risikoakkumulation im Wertschriftenbusiness der von New York und London gesteuerten UBS-Investmentbank. Der beste Weg, eine neuerliche staatliche Rettungsaktion auf unsere Kosten zukünftig auszuschliessen, ist die rechtliche, kapitalmässige und operative Abtrennung der hochriskanten UBS-Investmentbank vom Mutterhaus. (Gilt, mutatis mutandis, auch für die CS.) Eine solche Abtrennung der Investmentbank bedingt eine tiefgreifende Reform des Schweizer Bankensystems auf der Stufe Verfassung und Bankengesetz.

In diesem Sinne können die zentralen Fragen der Wirtschaftspolitik an die Finanztheorie folgendermassen formuliert werden: Was ist eine Investmentbank? Was heisst Eigenhandel? Wieviel Kapital braucht eine Bank?

Antworten liefert die Finanztheorie dazu nicht, nur Begriffssalat.

Das musste auch Christoph Blocher konstatieren, als er seine Finanzspezialisten fragte. Diese Leute müssen ihm einen gewaltigen Schreck eingejagt haben mit ihren Behauptungen, nach Abtrennung der Investmentbank könne eine Geschäftsbank nicht überleben. Das ist Schwachsinn. Investmentbank ist heute nur ein weich definierter, man könnte sagen journalistischer Begriff. Investmentbank, Schattenbank, Hedge Fonds, Derivate, Hochfrequenzhandel, etc. - zum "Trümmligwerden". Die SP-Bankensicherheitsinitiative wird den Begriff Investmentbank für den Wirtschaftsplatz Schweiz erstmals definieren müssen.

Weil sowohl Pardini als auch Blocher vorwärts machen wollen, mit der Lösung des Too-big-to-fail-Problems in der Schweiz, ist für die Motion mit dem Begriff "Banken mit Eigenhandel" eine Formulierung gefunden worden, die den Begriff "Investmentbank" vermeidet. Kein Eigenhandel, diese Forderung wurde nach der Finanzkrise vom ehemaligen Präsidenten der US-Zentralbank Paul Volcker ins Spiel gebracht, und vom amerikanische Kongress vor drei Jahren im Dodd-Frank Gesetz festgeschrieben.

Seither arbeiten die verschiedenen US-Finanzmarktüberwachungsorganisationen daran, die Volcker-Rule zu operationalisieren. Dabei ist der urspünglich 1 1/2 Seiten lange Vorschlag Volckers auf fast 1000 Seiten angewachsen, die, bereits mehrmals verschobene definitive Version ist per Ende Jahr angekündigt.

Gesetze die von der Verwaltung nicht in die Realität umgesetzt werden können, sind schlechte Gesetze. Und das Schweizer Parlament ist gut beraten, den Fehler des US-Kongresses mit der Volcker-Rule nicht zu widerholen. Je klarer die zwei neuen Banktypen auf Stufe Verfassung und Gesetz definiert sind, welche die herkömmliche Universalbanken ablösen, desto einfacher wird die Überwachung und Regulierung der Finanzmärkte. Auch im Bereiche der Finanz- und Bankengesetzgebung ist Komplexitätsreduktion das Gebot der Stunde.

Volle strukturelle Separation des Wertschriftenhandels - mit genau definierten Ausnahmen - ist nach meiner Meinung immer noch das beste Rezept zur dauerhaften Lösung des Too-big-to-fail-Problems. Allein, wie sagte doch Bill Clinton auf den Vorwurf des Cannabis-Konsums: Geraucht, aber nicht inhaliert. Oder unsere Doris Fiala auf den Vorwurf des Plagiates in der Masterarbeit: Abgeschrieben, aber nicht gemerkt. Mein kleiner Ausflug in die Wursterei der Parlamentsarbeit lässt mich ähnliches Befürchten.

PS: Das mögliche Aktionsbündnis von SP und SVP in der Too-big-to-fail-Problematik  passt vor allem den Freisinnigen nicht. "Paktiererei zwischen der SP und der SVP blockiert die Schweiz", beklagte FdP-Nationalrat Christian Wasserfallen. Während die NZZ und der jungfreisinnige Weltwoche-Redaktor Christian Mundt, wen wunderts, die Trennbanken schlechtschreiben.