Freitag, 20. Dezember 2013

In Memoriam Anton Keller: Tell oder Pictet de Rochemont?

Der Mitte Jahr verstorbene Anton Keller war auch mir ein geschätzter Diskussionspartner. Trotz, oder gerade wegen eines ganz unterschiedlichen Lebensweges. In den Sechziger- und Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gehörte auch unsereiner zu den subversiven Elementen, die Anton und den Seinen zwar fichierten, aber nicht erwischten.

2002, wenn ich mich recht erinnere, lernte ich ihn dann im Zusammenhang mit dem Fall des Schweizer Botschafters in Luxemburg (Geldwäsche) persönlich kennen. Als begnadeten Debattierer, mit dem man tabulos über alles reden konnte. Fundiert. Er hatte einen wohlgefüllten bürgerlichen Bildungsrucksack, war Stolz, bei Edward Teller und Eugene Burdick in Berkeley, Oscar Morgenstern in Princeton, sowie Arnold Künzli und Edgar Salin in Basel studiert zu haben.

Ich habe dann miterlebt, wie die Entwicklungen in den USA nach dem 11. September 2001 den Amerikafreund zunehmend befremdeten und schliesslich zum scharfen Kritiker werden liessen. Vollends vorbei mit Antons Amerikafreundschaft war es, als der Kongress das FATCA-Gesetz absegnete, und die IRS-Steuervögte die grosse Offensive gegen sein heissgeliebtes Bankgeheimnis eröffneten.

Die Verwaltung von Steuerfluchtgeldern durch Schweizer Banken war für Anton solange legitim, als das sich das Ganze im Rahmen der Schweizer Gesetze korrekt abspielt. USA-EU oder andere Gesetze hin oder her. Und gleich dem gefallenen Wegelin-Banker und NZZ-Präsidenten Konrad Hummler, wusste Anton mit Verve für diese Position zu argumentieren. Doch als die US-Kavallerie dann angriff, ist Eigenoss Anton im Gegensatz zum Schönwetterkapitän Hummler, nicht eingeknickt.

Die Schweiz ist souverän, oder sie ist nicht, sagte er mir beim letzten Abschied in seinem Hause hoch oben in den Walliser Bergen.

Ruhe in Frieden Anton, du warst geschnitzt vom Holze Wilhelm Tells und Che Guevaras. Allein - der Schlachtruf "Patria Libre o Muerte" bringt die Menscheit heute nicht mehr weiter. Die Freiheit der Zukunft heisst Freiheit mit den Anderen, nicht gegen die Anderen.

Wenn schon eine historische Symbolfigur die der Schweiz heute den Weg weist, dann nicht Tell, sondern  Charles Pictet de Rochemont, helvetischer Unterhändler am Wiener Kongress von 1815.

Warum? Die geopolitische Position der Schweiz war damals ähnlich kompliziert wie heute. Neben den Rivalitäten der kontinentalen Grossmächte war das Thema Schweiz wie immer nur ein kleiner Nebenschauplatz. Napoleon hatte das mit der alten Eidgenossenschaft assoziierte Genf seinem neuen Frankreich einverleibt. In Wien wollte Talleyrand die Stadt Genf für Verlierer Frankreich halten. Der Genfer Pictet wollte zurück zur Allianz mit der Schweiz. Den Siegern Russland, England und war Genf egal, sie wollten Verlierer Frankreich möglichst schwächen, ohne Sieger Österreich allzusehr zu stärken. Sieger Österreich wollte das bis 1798 bündnerische Veltlin anektieren, und die Schweiz gleichzeitig als Pufferzone gegen Verlierer Frankreich stärken. Die Bündner wollten das drei Jahrhunderte brutal ausgebeutete Tal zurück. Auf diesem komplexen Hintergrund lief schliesslich der austro-russo-britisch-helvetische Deal, Kanton Genf gegen Veltlin.

Gleich wie 1815 sortiert sich die Welt auch heute neu. Die eine Triebkraft ist der Abstieg der finanzkapitalistischen USA, die andere der Aufstieg des staatskapitalistischen China. Dieses geopolitische Spannungsfeld erzeugt die zwei neuen mittelfristigen Megatrends: Deglobalisierung und Kalter Frieden.

Deglobalisierung und Kalter Frieden prägen auch die Zukunft der Schweiz in Europa und der Welt, inklusive dem internationalen Geschäft auf dem Finanzplatz. Heute kontrollieren die zwei entnationalisierten, US-dominierten Grossbanken weit über die Hälfte dieses Geschäftes. Gesteuert von Entscheidungszentren in New York und London, geleitet vom Shareholdervalue und der US-amerikanischen Geopolitik.

Die Zukunft des hiesigen internationalen Finanzgeschäftes aus Gesamtsicht des Wirtschaftsplatzes Schweiz vermögen die beiden Giganten damit nicht zu definieren. Dazu braucht es die richtige staatliche Wirtschaftspolitik und einen neuen Kompass, Modell Pictet de Rochemont.

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Volcker Rule und SP-Bankensicherheitsinitiative

Nach einem mehrjährigen hin-und-her präzisierten heute die diversen zuständigen US-amerikanischen Finanmarktüberwacher die sogenannte Volcker-Rule, dass nämlich Banken im Prinzip keinen gewinnstrebigen Eigenhandel mehr betreiben dürfen.

Die Volcker-Rule ist, trotz aller Ausnahmen und Schlupflöcher, ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zur angesagten strukturellen Reform des Bankensystems im anglo-amerikanischen, neoliberalen Finanzkapitalismus.

Erstmals seit dem Glass-Steagall-Bankengesetz von 1933 ist die Wall-Street-Finanzspekulation vom Staat in die Defensive gedrängt worden. Mit Auswirkungen auch auf das US-dominierte, globalisierte Finanzcasino.

Langsam aber sicher wird die volkswirtschaftliche Funktion der Geschäftsbanken auf das Spar- und Kreditwesen refokussiert. Und der gewinnstrebige Wertschriftenhandel in rechtlich, kapitalmässig und operationell getrennte Unternehmen abgetrennt.

Auf diesem Weg ist die Volcker-Rule ein wichtiger erster Schritt. Der Eigenhandel wird stark reduziert, die Banken sollen im Prinzip nur noch auf Risiko der Kunden handeln. So wie es beispielsweise bereits heute der weltgrösste Vermögensverwalter Blackrock tut.

Allerdings erlaubt die Volcker-Rule den US-Bankenkonzene weiterhin gewinnstrebige "broker-dealer" und "trader" Aktivitäten. Das heisst, dass diese weiterhin riesige Handelsabteilungen betreiben können.

Im Gegensatz dazu läuft die Diskussion um die SP-Bankensicherheitsintiative in Richtung einer vollen operationellen Trennung der "broker-dealer" und "trader" Aktivitäten von den Geschäftsbanken.

Die Einlagensicherung wäre dann nur noch auf Einlagen bei Geschäftsbanken gewährt. Das von der Finma angestrebte Bail-In bei Bankenliquidationen könnte nur bei Investmentbanken greifen. Bail-In heisst Zugriff auf Lohn- und Sparkontos von Bankkunden zugunsten der Gläubiger im Bankkonkurs.

Montag, 9. Dezember 2013

Triumph des neoliberalen Feminismus bei der NZZ: Meret Baumann zeigt Eier, Markus Spillmann traurige Augen

"Sie war ein großer Fan der Neuen Zürcher Zeitung. Und hat sich einfach beworben. Ohne Schreiberfahrung. Wer Eier zeigt, hat Erfolg. Meret Baumann ist so ohne große Umschweife in ihrer Traumkarriere gelandet. Den Jungen rät sie, vor allem zielstrebig zu sein und nichts zu machen, was einem am Sonntagabend Bauchweh bereitet."

Diese Worte finden sich auf der Webseite des Tiroler Mediengipfels von Lech am Arlberg. Wo auch NZZ-Chefredaktor Markus Spillmann sein wohlbekanntes Mantra der Kompatibilität von Online und Print zum Besten gab - allerdings nicht mit Eiern, wie Frau Baumann, sondern mit traurigen Augen und trendigen Bartstoppeln.

So wie er auf den Fotos dreinguckt, scheint Spillmann eine Auszeit zu brauchen. Cojones, da empfiehlt sich Frau Baumann als Stv., oder vielleicht der amerikanophile Scharfmacher Eric Gujer von der Auslandredaktion.

A propos Schreiben im Journalismus, interessant auch der Vergleich der NZZ-Hardcorefrau Meret Baumann mit dem brillianten Tages-Anzeiger-Stilisten Constantin Seibt. (Okay, ohne zynischen Sprüche zur Eierfrau und den Eierstockmann.) Baumann verkörpert das, was Seibt in seinem deadline blog verkennt, Journalismus braucht nicht nur die gute Form, sondern auch einen Inhalt.

Schön schreiben wie Seibt kann man nicht lernen, dazu braucht man Talent. Journalistisch schreiben wie Baumann kann man lernen, dazu braucht man Inhalt. Verabsolutieren darf man Beides nicht.

So kommen wir hier - schöne Festtage allerseits - auf die gutschweizerische Erkenntnis, der Witz liegt im Mix.