Samstag, 19. April 2014

Thomas Piketty küsst die Historische Schule der Nationalökonomie wach

Vorletzte Woche erschien die englische Übersetzung des Buches  "Le capital au 21ième siècle" des französischen Ökonomen Thomas Piketty.

Bereits diese Woche figuriert das Werk auf Platz 1 der New-York-Times Bestsellerliste. Und die Grosskommentatoren und Starökonomen der anglo-amerikanischen Mainstreammedien überbieten sich mit Lobpreisungen der neuen Sichtweisen und Erkenntnisse des Europäers Piketty.

Der ganze Piketty-Hype demonstriert einmal mehr den Bankrott des individualistisch-utilitaristisch-mathematisch-deterministischen Ekklektizismus der bis zum Finanzcrash hegemonialen anglo-amerikanischen Wirtschaftslehre.

Nach dem Revival des orthodoxen Keynesianismus und der Österreichischen Ökonomie, ist jetzt auch die lange vergessene Historische Schule der Nationalökonomie wieder auferstanden, in deren intellektueller Tradition Piketty steht.

Die Warheit in den Tatsachen suchen, postulierten die Ökonomen der Historischen Schule, und versuchten, ihre Hypothesen in der Wirklichkeit zu verankern. Dazu sicherten sie ihre Behauptungen empirisch ab und berücksichtigten die Sozialwissenschaften -  Genauso arbeiten heute Piketty und seine Mitarbeiter.

Piketty lesen!

Dienstag, 15. April 2014

Peter Bernholz kritisiert Wunschdenken der Vollgeldinitiative bei der Abschöpfung überschüssiger Giroguthaben

Gestern hat Peter Bernholz in der NZZ die zwei Volksinitiativen analysiert, welche die Geldpolitik der Nationalbank in eine neue Richtung lenken wollen, die Goldinitiative und die Vollgeldintiative.

Der Basler Altmeister der Geldtheorie empfiehlt beide zur Ablehnung.

Die Goldinitiative fordert bei den Währungsreserven einen in der Schweiz tresorierten Goldanteil von mindestens 20 Prozent. Heute sind es, teilweise bei ausländischen Zentralbanken gelagerte sechs Prozent. Nach Bernholz bringt die starre Koppelung des Goldbestandes an die Währungsreserven für die Geldpolitik unabsehbare neue Probleme. Statt Koppelung votiert er für eine flexible Diversifizierung der Währungsreserven im Sinne von weniger Devisen, dafür mehr Realwerte, Aktien und Gold.

Die Vollgeldinitiative könne das Finanzsystem theoretisch zwar stabilisieren, schreibt Bernholz, was jedoch durch praktische Mängel und ungelöste Problemen wieder zunichtegemacht werde.

Als einen gravierenden Mangel der Vollgeldinitiative sieht Bernholz das Wunschdenken der Initianten beim Abbau der überschüssigen Giroguthaben. Giroguthaben sind die Einlagen der Banken bei der Nationalbank. Die Giroguthaben werden im Vollgeldsystem an einem bestimmten Stichtag in Bankschulden an die Nationalbank gewandelt. Was für das Bankensystem  einen Buchverlust an Einlagen von über 300 Milliarden Franken bedeutet.

Zur Verarbeitung dieses enormen Verlustes soll die Nationalbank gemäss Initiative die Banken mit zinsgünstigen, langfristigen Darlehen unterstützen. Den komplexen Transformationsprozess haben die Inititanten theoretisch modelliert - sind schliesslich auch pensionierte Professoren. Doch Bernholz taxiert diese Vorstellungen als unrealistisch und unpraktikabel.

Die Bernholz'sche Kritik leuchtet ein. Die Vollgeldinitiative löst das drängende Problem der überschüssigen Giroguthaben nicht.

Die nötige Neutralisierung der durch geldpolitische Massnahmen der Nationalbank leistungslos in die Kassen des Bankensystems gespülten rund 300 Milliarden Giroguthaben muss mit anderen Methoden bewerkstelligt werden.

Zum Beispiel durch Kompensierung der Giroguthaben durch Aufstockung des Aktienkapitals. Die dazu nötige politische Legitimation müssten Parlament und Bundesrat liefern.

Technisch müssten die Giroguthaben aus der Nationalbankbilanz in eine temporäre Annexanstalt ausgegliedert werden. Dann müsste die Nationalbank unentgeltlich Banken-Vouchers an alle Schweizer Bürgerinnen und Bürger verteilen. Und die Banken müssten neue Aktien in der Höhe ihrer Giroguthaben schaffen. Die gegen Vouchers in einer von der Annexanstalt organisierten Auktion ersteigert werden könnten.

Die überschüssigen Giroguthaben gehören dem Volk und nicht den Banken!

Dienstag, 1. April 2014

Die Nationalbank: Universelle Gesamtkapitalistin oder Treuhänderin geldpolitischer Landesinteressen?

Weltfinanzkrise und unkonventionelle Geldpolitik haben bei der Nationalbank eine Dynamik in Gang gesetzt, die das Fundament der für die Schweiz zentralen Institution erschüttert.

Die neue nationale Handelsplatform (SIX-Platform) treibt diese Entwicklung einen Riesenschritt voran. Dazu Dewet Moser, Stellvertretendes Mitglied des Direktoriums der Nationalbank: Die SNB wird ab Mai nur noch auf der SIXPlattform aktiv sein. Ohne Zugang zur neuen Plattform wird es Banken beispielsweise nicht mehr möglich sein, Engpassfinanzierungsliquidität bei der SNB zu beziehen. (...) Mit der neuen Plattform wird ein wichtiger Grundstein für eine zukunftsfähige Infrastruktur im Dienste unseres Finanzplatzes gelegt. Der Plattformwechsel ist aber erst der Auftakt zu einer regelrechten Kaskade von Neuerungen."

Zur Stabilisierung des Franken-Eurokurses bei 1.20 hat die Nationalbank seit 2011 fast 400 Milliarden Euro gekauft und ist zu einem Megaplayer der globalen Währungsspekulation geworden. Mittlerweilen betragen diese Fremwährungsreserven über die Hälfte aller Schweizer Auslandinvestitionen. Zur Bewirtschaftung dieser Anlagen musste die Nationalbank das Personal aufstocken und in Singapore eine Aussenstelle eröffnen.

Von der neuem SIXPlattform, also der technischen und rechtlichen Integration von Wertschriftenhandel, Zahlungsverkehr und Geldpolitik in der Schweiz, erhofft sich die Nationalbank ein ganzes Bündel positiver Effekte. Zum Beispiel mehr Finanzstabilität, gute Instrumente zur geldpolitisch gezielten Bewirtschaftung der Fremdwährungsreserven, sowie nicht manipulierte Basisdaten für den neuen Schweizer Referenzzinsatz, der die korrumpierten Londoner Libor-Notierungen ablösen soll.

Eine weitere wichtige Problematik ist die Neuregelung der generellen Liquiditätssicherung im Bankensystem. Diese Neuerung ist ein Muss, weil die aus Währungskäufen entstandene Geldschwemme das bisherige Mindestreservenregime ausgehebelt hat. Zurzeit überfüllt das Bankensystem die Mindestreserveanforderungen um ca 2200 Prozent.

Die sogenannte Liquidity Coverage Ratio (LCR) soll das dysfunktionale Schweizer Mindestreservenregime im Einklang mit europäischen und globalen Neuregelungen ablösen.  Die LCR beurteilt die Liquiditätssitation einer Bank in den nächsten 30 Tagen. Dazu setzt die Messzahl den Bestand an hochliquiden Aktiven einer Bank ins Verhältnis zum maximalen Nettoabfluss unter definierten Stressituationen. Die Nationalbank definiert die als hochliquide geltenden Aktiven, die auf der neuen SIXPlattform gehandelt werden sollen.

Dieser Systemwandel in der Liquiditätssicherung ist nicht  bloss ein finanztechnisches Problem. Ganz im Gegenteil. Die Abwicklung des alten Systems hat Sprengkraft.

Im alten System mussten die Banken ihre Verbindlichkeiten (Sicht, Termin- und Spargelder) zu einem gewissen Prozentsatz mit Reserven in Form von Guthaben auf einen sogenannten Girokonto bei der Nationalbank hinterlegen. Vor der Finanzkrise und der Mindestkurs-induzierten Geldschwemme spielten die Giroguthaben des Bankensystems eine zentrale Rolle bei der Geldversorgung.

Die Eurokäufe der Nationalbank liessen die Gioguthaben des Bankensystems auf ca 370 Milliarden Franken ansteigen. Entstanden sind diese überschüssigen Giroguthaben gemäss folgendem Schema.

Die Nationalbank kauft Euros bei Geschäftsbank X und bezahlt die Bank X mit einer Gutschrift aus selbstgemachtem (fiat)Zentralbankengeld auf deren Girokonto. Bank X  kauft diese Euros ihrerseits bei Bank Y, und bezahlt diese mit einer Gutschrift aus selbstgeschöpftem Giralgeld auf dem Konto, dass Bank Y bei ihr unterhält. Das Giroguthaben der Bank X bei der Nationalbank bleibt bei dieser Transaktion unverändert, weil Bank X bekam die in Zentralbankengeld vergüteten Euros mit selbstgeschöpftem Giralgeld bezahlen konnte. Mit anderen Worten hat sie den Geldschöpfungsgewinn kassiert.

Volkswirtschaftlich entsprechen die überschüssigen Giroguthaben von etwa 370 Milliarden Franken in etwa dem leistungslos privatisierten Geldschöpfungsgewinn. Volkswirtschaftlich betrachtet gehört dieses Geld dem Volk und nicht den Banken.

Das erwähnte Dynamit in der Abwicklung des alten Mindesreservesystems liegt in der Methode, mit der die Nationalbank die überschüssigen Giroguthaben abzuschöpfen gedenkt. Nämlich durch Verkauf von sogenannten SNB Bills, also verzinslichen Schuldverschreibungen der Nationalbank, an die Banken. Womit der leistungslos privatisierte Geldschöpfungsgewinn auch noch staatlich verzinst wäre. Zum Weggli bekämen die Banken noch den Fünfer.

Sollte die Nationalbank die überschüssigen Giroguthaben der Banken dereinst tatsächlich mit verzinslichen SNB Bills abschöpfen, so läge dies nicht in geldpolitischem Landesinteresse, sondern im privaten Bankeninteresse. Um dies zu verhindern sind Abschöpfungsmethoden gefragt, welche die überschüssigen Girogelder als volkswirtschaftlichen Geldschöpfungsgewinn sozialisieren.

So könnte ein Teil dieses Geldes beispielsweise der zur dringend gebotenen Rekapitalisierung des   Bankensystems verwendet werden. In einem ersten Schritt müssten die Giroguthaben aus der Nationalbankbilanz in eine temporäre Annexanstalt ausgegliedert werden. In einem zweiten Schritt müsste die Nationalbank unentgeltlich Banken-Vouchers an alle Bürgerinnen und Bürger verteilen. In einem dritten Schritt müssten Bundesrat und Parlament die dem Bankensystem leistungslos zugeflossenen Giroguthaben der Annexanstalt überschreiben. In einem vierten Schritt müsste der Staat eine Auktion organisieren, wo die verteilten Vouchers Aktien von Banken ersteigern könnten, deren Aktienkapital im Umfang der beschlagnahmten Giroguthaben aufgestockt werden müsste.

Ein anderer Teil der überschüssigen Giroguthaben köntte abgeschöpft werden durch Umwandlung in einen staatlichen Infrastruktur- Bildungs- oder Sozialpolitikfonds. In mehr Flüchtlings- und Entwicklungshilfe. In die Energiewende, in den generellen ökologischen und sozialen Umbau der Wirtschaft, etc., etc.

Tönt vielleicht wie ein Aprilscherz, ist aber durchaus ernst gemeint.