Dienstag, 25. August 2015

Börsencrash in China öffnet Graben zwischen Staatskapitalismus und Finanzkapitalismus

Während die Börsenkurse nach dem 8%-Verlust in Shanghai  heute nochmals etwa gleichviel absackten, steigen heute Morgen die Börsenkurse in Europa sowie die Kurse der US-Aktienfutures wieder an.

Ob das für China schlecht ist, und für Europa und die USA gut ist eine offene Frage.

Möglich ist, dass der Aktiencrash den chinesischen Staatskapitalismus tendenziell stabilisiert und den europäischen und amerikanischen Finanzkapitalismus tendenziel destabilisiert.

Insofern dass der  zentrale Kampf der KP China gegen die Korruption durch den rasanten Fall der Börsenkurse gestärkt wird, weil er die wichtigste Institution der exzessiven privaten Bereicherung unterläuft. Volkswirtschaftlich haben die Aktienmärkte im staatskapitalistischen China keine entscheidende Bedeutung, weil dort nicht der Markt die relevanten Weichenstellungen der Kapitalallokation fällt, sondern das Politbüro in Peking.

Kommt noch dazu, dass die seit Jahresbeginn explodierten chinesischen Börsenkurse wieder auf dem realistischerem Niveau von Ende Dezember 2014 angekommen sind. Wie in den Romanen des chinesischen Schriftstellers Lu Xun nachgelesen werden kann waren die Schanghai-Kapitalisten schon immer leidenschaftliche Gambler.

Umgekehrt bleiben die Börsenkurse in Europa und Amerika nach acht Jahren Geldschwemme stark überbewertet.  Und die Zentralbanken bekommen durch den Crash noch ein Argument, ihre langfristig schädlichen Nullzins- und QE-Programme weiterzuführen.

Während das staatskapitalistische China wird mit den gefährlichen Exzessen der Aktienbörsen konfrontiert wird und handeln muss, verladen die Zentralbanken im finanzkapitalistischen Europa und USA die Aktienmärkte weiterhin mit dem Opium des billigen Geldes.

Die Zeit wird zeigen, ob dem tatsächlich so ist. Heute schon sicher darf gelten, dass der Börsencrash in China den Graben zwischen Staatskapitalismus und Finanzkapitalismus vertieft, und so zum weiteren Sargnagel für die US-dominierten, dollarbasierten, globalisierten Finanzmärkte wird.

Freitag, 21. August 2015

Fintech ohne Finanzregulierung - Ruedi Nosers explosiver Mix

Da schreibt doch gestern Ruedi Noser in der NZZ der Bundesrat solle eine Denkpause einlegen und auf die geplanten Anpassungen der "Too-big-to-fail"-Gesetzgebung verzichten. "Wer das Heil allein in der Regulierung sieht",  so Noser, "schafft mit Sicherheit nur eines: eine heillose Bürokratie."

Das ist Fortführung der 2008 gescheiterten neoliberalen Deregulierung im Finanzwesen. Und ein Freipass zu neuen Hochrisikogeschäften für UBS und Credit Suisse, Gratis-Staatsgarantie inklusive.

Nein. Die "Too-big-to-fail"-Problematik, das immer noch ungelöste Strukturproblem des Schweizer Bankensystems darf nicht schubladisiert werden. UBS und Credit Suisse sind, obwohl mittlerweilen geschrumpft und in einem Reorganisationsprozess, im Vergleich zur Realwirtschaft des Frankenraumes immer noch zu gross. Die beste Entschärfung dieses volkswirtschaftliche Grossrisikos ist und bleibt die bankgesetzliche Trennung von Geschäftsbanken und Wertschriftenhandelsbanken. (Vollgeld bringt hier nichts, doch das ist eine andere Geschichte.)

Ein nach Noser-Rezept unterregulierter Finanzplatz wäre auch schlecht für den neuen Bahnhofstrassen-Hype Fintech. Sprich die digitale Bankenrevolution. Die ganzen hyperkomplexen Fintech/Blockchain/Krypto-Technologien benötigen neben stabileen technischen Infrastrukturen auch stabile, das heisst staatlich regulierte Finanzinfrastrukturen und Banksysteme.

Ohne volkswirtschaftliche Systemstabilität kein Fintech. Und diese Stabilität kriegt man auf Basis eines trotz Finanzkrise unreformierten Marktfundametanlismus nicht hin.

Montag, 17. August 2015

Der Stammtisch im Zeitalter der digitalen Revolution

Der reservierte Tisch für regelmässige Gäste existiert seit es Gasthäuser gibt. Und das ist schon lange.

Unvergessen blieb mir der Stammtisch im Restaurant Krokodil an der Zürcher Langstrasse, wo meine Eltern einstmals gewirtet haben. Fröhliche Männer am grossen runden Tisch mit dem grossen Metallascher in der Mitte, die redeten, tranken, assen, rauchten und mit der Serviertochter anbändelten, wie man die Servicefachfrauen damals nannte.

Eine Szene in Goethes Faust bringt das tiefere Geheimnis solcher Stammtische auf den Punkt, nämlich die Produktion kollektiver Gefühlswärme durch Verschmelzung von Individuen zur realexistierenden Gruppe.

"Uns ist ganz kannibalisch wohl, als wie fünfhundert Säuen!", singen die Zecher im Auerbachs Keller. Dann lässt einer sein nationales Ressentiment gegen die Franzosen raus und sagt: "Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden, doch ihre Weine trinkt er gern."

Das tiefere Geheimnis der heutigen Social Media Kanäle hingegen, ist die Produktion individueller Gefühlswärme durch die Verschmelzung von Individuen zur virtuell existierenden Gruppe.

Fällt die analoge Hosensackwärme der alten Stammtische à la Krokodil oder Auerbachs Keller der digitalen Revolution zum Opfer, oder kann sich der in Echtzeit auf Youtube und andere Videokanäle übertragene Stammtisch im digitalen Universum neu erfinden, das ist hier die Frage.