Donnerstag, 26. Mai 2016

Kapitalverkehrskontrollen: Landesinteresse oder neoliberale Ideologie, das ist hier die Frage

Gesten hat der Bundesrat in Beantwortung eines parlamentarischen Vorstosses der SP die Frage beantwortet, was die Politik tun könne, wenn der Franken unter extremen Aufwertungsdruck kommt und das gängige geldpolitische Instrumentarium der Nationalbank nicht mehr genügen sollte.

Nachfolgend zwei wichtige Passagen aus der Antwort:

"Solche zusätzliche Instrumente stehen gemäss den bestehenden gesetzlichen Grundlagen weder der SNB noch dem Bund zur Verfügung. Insbesondere können der Bundesrat oder die SNB keine Kapitalverkehrskontrollen (namentlich Kapitalimportkontrollen) anordnen. Mit Inkraftsetzen des neuen Nationalbankgesetztes wurde auf diese Möglichkeit explizit verzichtet. Der Bundesrat rechnet in der gegenwärtigen Lage klarerweise nicht damit, dass oder ähnlich einschneidende währungspolitische Massnahmen als Ultima Ratio eingesetzt werden müssen. Nach Ansicht des Bundesrates stehen der National- bank genügend geldpolitische Instrumente zur Verfügung. Selbst in einem extremen Szenario einer erneuten massiven Aufwertung der Währung müssten zudem Nutzen und Kosten zusätzlicher ausserordentlicher Instrumente sorgfältig abgewogen werden. Der Bundesrat wies im Übrigen bereits im Rahmen der Botschaft zum Nationalbankgesetz (NBG) vom 26. Juni 2002 auf die Wirkungslosigkeit solcher Massnahmen angesichts damals schon hoch entwickelter Finanzmärkte sowie auf die Tatsache hin, dass in den vorangegangenen 20 Jahren nicht mehr darauf zurückgegriffen worden war."

Fazit: Kapitalverkehrskontrollen Nein

"More of the Same", heisst die Parole:

"Das bereits heute zu Verfügung stehende geld- politische Instrument der Negativzinsen lässt sich jedoch durchaus als zweckmässigere, an- gemessenere und weniger kostspielige Alternative betrachten im Vergleich zu direkten Vorschriften an die Finanzintermediäre über ihre Zinsgestaltung. (Kapitalverkehrskontrollen) Die mit solchen Massnahmen angestrebte Wirkung, nämlich eine Minderung der Attraktivität in Frankenanlagen und letztlich eine Lockerung der geldpolitischen Bedingungen, lässt sich mit dem bereits verfügbaren Instrument der Negativzinsen wohl mit einem weit weniger schwerwiegenden Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit und mit entsprechend weniger volkswirtschaftlichen Kosten erreichen."

Offensichtlich schreckt der Bundesrat vor der Beantwortung der Frage nach Kapitalverkehrskontrollen im Ausnahmezustand eines extremen Aufwertungsdruckes zurück. Und tut damit dem Landesinteresse keinen Dienst. In Krisenzeiten wie heute müssen stets alle Eventualitäten explizit ausgedeutscht werden - Auch jene, welche die Prinzipien des neoliberalen Marktfundamentalismus missachten.

Genau gleich wie Bundesrat und Nationalbank die UBS 2008 in Abweichung des Prinzips der Wirtschaftsfreiheit vor dem Bankrott gerettet haben, müssen sie ausländische Geldanlagen im Falle eines extremen Aufwertungsdruckes auf den Franken mit entsprechend hohen Negativzinsen zum Abfluss bewegen.

Dienstag, 3. Mai 2016

Der Euro und die schweizerische Geldpolitik: Finanzplatz profitiert, Werkplatz zahlt

An einer Rede gestern in Luzern unterstrich Nationalbankpräsident Thomas Jordan die Bedeutung der monetären Souveränität für die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz. "Aufgrund der Struktur der Schweizer Volkswirtschaft" sagte er, "ist eine eigenständige Geldpolitik sinnvoll. Dies gilt besonders angesichts des internationalen Finanzplatzes und des auf die Produktion forschungsintensiver Güter spezialisierten Industriesektors."

Die monetäre Souveränität funktioniert. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 haben Ausländer seit 2011 bei der Nationalbank ungefähr 400 Milliarden aus dem Nichts geschaffene Franken gekauft, die sie mit ebenfalls aus dem Nichts geschaffenen Euros bezahlten.

Diese ungebrochene Bereitschaft Euros gegen Franken zu tauschen widerspiegelt die andauernde Rolle der Schweiz als sicherer Hafen für Geld und Kapital in Zeiten von Krise und Krieg. Europa hat die Schweizer Neutralität in den zwei Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts nicht vergessen.

Die historisch beispiellose Explosion von Geldmenge und Devisenreserven hat die Bilanz der Nationalbank explodieren lassen. Vor der Finanzkrise war das Bruttoinlandprodukt ungefähr fünf mal höher die Bilanzsumme, heute ist es gleich gross.

Von dieser Geldschwemme konnte der Finanzplatz gleich doppelt profitieren. Zum einen liessen die vielen neugeschöpften Franken den Anteil des Frankens am globalen Devisenhandel wachsen, was wachsende Einnahmen der Banken generiert. Und zum anderen geniesst die Nationalbank dank den hohen Devisenreserven mehr Glaubwürdigkeit als staatlicher Rettungsanker der Banken, was deren Geschäfte ebenfalls befeuert.

Verlierer ist der Werkplatz. Industrie, Tourismus, Handel. Obwohl die aktuelle Geldpolitik, Negativzinsen und sporadische Eurokäufe zur Stabilisierung des Franken-Eurokurs in der Nähe von 1.10 den Aufwertungsdruck auf den Franken schwächt, bleibt der Franken zum Euro überbewertet. Daraus resultieren wachsende Arbeitsplatzverluste am Werkplatz.

Zur Korrektur der fehlenden Opfersymmetrie bei der Bezahlung des Preises seiner Geldpolitik hat Thomas Jordan gestern nichts gesagt.