Samstag, 1. Dezember 2018

Der Westen ist tot - Gujer-Wende im NZZ-Auslandsjournalismus

Die "idealistische Aussenpolitik des Westens" ist am Ende, verkündet Chefredaktor Eric Gujer heute in der NZZ. "Nun schwingt das Pendel zurück."

"Es bleibt nur ein Mittelweg: weder Voltaires "Candide" noch Kagans Dschungel, sondern gelassene Selbstbeschränkung in einer aus den Fugen geratenen internationalen Ordnung." (Wobei der deplatzierte Voltaire-Kagan-Vergleich für Voltaire eine Beleidigung ist.)

Mit "Kagan" ist Robert Kagan gemeint, ein führender Verteter jener kriegerischen Weltanschauung des US-Neokonservativismus, welche der US-Aussenpolitik in den letzten zwei Jahrzehnten in Afghanistan, Irak, Syrien und Libyen katastrophale Niederlagen einbrockte.

Heute sitzen die Neocons wohl wieder im Weissen Haus und im State Department des "Amerika-Firsters" Donald Trump, doch das sind nur Schleudersitze, im Pentagon kommandieren mittlerweilen realistische Generäle.

Als NZZ-Leser habe ich den erfahrenen Geheimdienstspezialisten, BND-Insider, früheren Ausland- und heutigen Chefredaktor Eric Gujer stets als Parteigänger der US-Neokonservativen und deren kriegerischen Machtpolitik gelesen.

Wenn er heute seiner Leserschaft den "Mittelweg" und eine "gelassene Selbstbeschränkung" in der Aussenpolitik empfiehlt, sind das ganz neue Töne.

Auf Gujers Haupthema Deutschland angewendet bedeutet das wohl Kramp-Karrenbauer statt Merz.

Wenn dieser Leitartikel so gemeint ist, wie ich ihn lese, dann dürfte der NZZ-Auslandsjournalismus davon profitieren. Weil die smarten jungen Schreibkräfte die er seit seinem Amtsantritt in der Auslandredaktion einstellte, sich von der neokonservativen Denkschablone "Der Westen" befreien können.

Die Ära des neokonservativen Westens ist vorbei. Sie dauerte vom Ende des Kalten Krieges 1990 bis zur Wahl von Donald Trump 2016.


Sonntag, 28. Oktober 2018

UBS-CEO Sergio Ermotti möchte über die Bilanz der Nationalbank reden - Aber gerne

In seinem Interview in der heutigen «SonntagsZeitung» reitet der Chef der grössten Bank der Schweiz eine Frontalattacke gegen die verfehlte Geldpolitik der Nationalbank.

Ermotti sagt: "Ich wundere mich vor allem, wenn im Stabilitätsbericht der Nationalbank das Wachstum der Grossbanken als Risiko thematisiert wird. Ich glaube, die Negativzinsen und die Grösse der Bilanz der Nationalbank sind die viel grösseren Risiken."

Bingo!

Negativzinsen und Bilanzaufblähung, die zwei von Ermotti benannten Problembereiche der Nationalbank-Geldpolitik befeuern die Krisenanfälligkeit des Wirtschafts- und Währungsraumes Schweiz.

Die Negativzinsen führen zu tiefen Hypothekarzinsen die die Immobilienspekulation anheizen und damit ständig wiederkehrende Immobilienkrisen fördern, welche die Pensionskassen-, AHV- und Sparguthaben der breiten Bevölkerung gefährden.

Der erfahrene Banker Ermotti erklärt es so: «Etwas vereinfacht erklärt, rechnen einige Versicherungen und Pensionskassen so: Wenn sie Bargeld halten, zahlen sie Negativzinsen von 0,75 Prozent. Kaufen sie Staatsanleihen, gibt es null Zins. Und vergeben sie eine Hypothek, bekommen sie 2 Prozent.»

Das andere Instrument der heutigen Geldpolitik, Schwächung des Frankenkurses durch Eurokäufe, bläht die bereits heute weltweit beispiellos grosse Nationalbankbilanz immer mehr auf.

«Können wir wirklich nochmals die Bilanz der Nationalbank erhöhen? Ich glaube nein.», sagt Ermotti und warnt: «Darüber wird zu wenig gesprochen».

Wo Ermotti recht hat, hat er recht. Aber weshalb sollte die Nationalbank ihre Bilanz nicht mehr ausweiten?

Oder mit anderen Worten ausgedrückt, warum schaden Negativzins und Eurokäufe dem Wirtschaftsstandort Schweiz mehr, als die dadurch erreichte Schwächung des Frankenkurses der Exportindustrie, dem Tourismus und dem Detailhandel nützt?

Weil diese zwei Massnahmen ein weiteres Wachstum sowohl der überschüssigen Devisenreserven, als auch der überschüssigen Girogelder mit sich bringen. Und diese beiden Überschüsse den Spielraum der Schweizer Geldpolitik in der kommenden globalen (Dollar) Weltwährungskrise heute schon dramatisch einschränken.

Wir müssen über die Redimensionierung der Nationalbankbilanz reden. Wie diese geschrumpft werden kann. Wie hunderte von Milliarden Franken überschüssige Devisenreserven ausgebucht werden sollen. Nationaler Investitionsfonds? AHV-Finanzierung? Bildung? Oder gar Soliarität mit Armen und Flüchtlingen?

Geklärt werden muss auch, wie hunderte von Milliarden Franken überschüssige Giroeinlagen des Bankensystems bei der Nationalbank aus der Bilanz gebucht werden können.

Oder anders gefragt, wie verschwinden einige hundert Milliarden Franken aus dem Nichts geschaffenes Zentralbankengeld aus der Nationalbankbilanz, mit dem die Nationalbank ihre enormen Eurokäufe finanzierte.

Diese medial und politisch bislang zuwenig thematisierte Problematik bestimmt die Zukunft des Wirtschaftsraumes Schweiz entscheidend mit.

Mittwoch, 3. Oktober 2018

Was soll das penetrante Russland-Bashing im Tamedia Flagschiff Tages-Anzeiger?

Man kann den neuen Kalten Krieg gegen die Russen auch herbeischreiben.

Warum hat die Tamedia-Chefredaktion Deutschschweiz mit ihrer Kampf-Russlandberichterstattung sowohl den Boden des Journalismus, als auch den Boden der Schweizer Neutralität verlassen?

Was steht dahinter?

Ist es die Rechhaberei von TA-Rechercheteams in Russland-Spionageskandalen, die 100 Prozent recht haben wollen, gepaart mit mangelndem Urteilsvermögen der Chefredaktion, die nicht zwischen Journalisten, Spionen und Diplomaten unterscheiden kann?

Ist es eine bewusste geopolitische Positionierung der Tages-Anzeiger-Redaktion gegen Russland und seinen Präsidenten Vladimir Putin?

Oder sind es gar die wirtschaftlichen Interessen des Tamedia-Konzerns?

Wie auch immer, eins ist klar, das TA-Russland-Bashing vergiftet meinen Blick nach Osten. Als Gegengift wirkt infosperber.ch, rt.com und eine Prise chinadaily.com.

Samstag, 22. September 2018

Tamedia-Chefredaktor A. Rutishauser verwechselt Auslandjournalismus mit Aussenpolitik

In seinem heutigen Tages-Anzeiger-Leitartikel "Acht Lügen führen zu einer grossen Unwahrheit", hat Tamedia-Chefredaktor A. Rutishauser den Boden des Journalismus verlassen.

Im Namen seiner Cheffunktion im Tamedia-Konzern nötigt er die Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates Elisabeth Schneider-Schneiter zu tun was er sagt, ansonsten diskreditiere sie ihre Ambitionen auf einen Sitz im Bundesrat.

Eine unverhohlene Erpressung. Gegen die Macht der Tamedia-Kanäle von Genf bis St. Margrethen kann sich die Baslerin ihre Bundesratsambitionen abschminken. Pietro Supino auf den Spuren von Rupert Murdoch und Silvio Berlusconi.

Diese Erpressung einer gewählten Politikerin im Namen des Medienkonzerns Tamedia ist undemokratisch, unschweizerisch und eine unverschämte persönliche Anmassung Chefredaktor Rutishausers obendrein.

Als zahlender Abonnent des Tagesanzeiges will ich dort weder Drohungen gegen missliebige Politikerinnen, noch Kampftiraden gegen den russischen Botschafter in der Schweiz lesen.

Schreibt lieber etwas zum den Fall Viktor Vekselberg, der für die politische Neutralität der Schweiz und den Umgang des Wirtschaftsplatzes Schweiz mit den US-amerikanischen und EU-Sanktionen gegen Russland von Bedeutung ist.

Donnerstag, 21. Juni 2018

Schweizergeschichte neu denken: Der Gotthard hatte einen Vorgänger

Im Früh- und Hochmittelalter, vor der Öffnung des Gotthards, existierte eine vergessene Verbindung über die Berner Oberländer und Oberwalliser Pässe vom Thuner- und Vierwaldstättersee zum Lago Maggiore.

Schriftquellen für die Existenz dieser transalpinen Verbindung von europäischer Bedeutung aus der im Alpenraum (fast) urkundelosen Zeit des 8. bis 12. Jahrhunderts gibt es keine.

Vielmehr basiert meine These vom vergessenen Kaiserweg auf der Kombination zweier Überlegungen. Zum einen auf der geostrategischen Bedeutung der Strecke als schnellster transalpiner Verkehrs- und Kommunikationskanal zwischen den nördlichen und südlichen Kerngebieten der alpenüberspannenden früh- und hochmittelalterlichen Grossreiche der Karolinger, Ottonen, Salier und Staufer.

Und zweitens auf der Besiedelung der inneralpinen Hochtäler zwischen dem Thuner- und Vierwaldstättersee und dem Lago Maggiore durch Alamannen aus dem oberen Aareraum im 8. Jahrhundert.

Wie alles begann

Im Jahre 755 eroberte Frankenkönig Pippin die beim Zusammenfluss von Ticino und Po liegende Hauptstadt des Langobardenreiches Pavia. Damit entstand erstmals seit dem Untergang Westroms drei Jahrhunderte zuvor wieder ein alpenüberspannendes Reich. Diesmal allerdings nicht beherrscht vom Kaiser in Rom, sondern von einem König aus dem Norden.

Zum Machterhalt im neueroberten Langobardenreich, war Frankenkönig Pippin und später sein Sohn Karl der Grosse auf einen schnellen und sicheren transalpinen Verkehrs- und Kommunikationskanal von den nördlichen Kerngebieten der Karolinger am Niederrhein, Maas, Mosel und Seine in ihr oberitalienisches Verwaltungszentrum Pavia angewiesen. Pavia, muss man wissen, war damals eine ganz besondere Stadt in der sich die spätantike Stadtkultur weitgehend erhalten hatte, während Mailand und andere oberitalienische Römerstädte von den Goten und Langobarden zur Zeit der Völkerwanderung weitgehend zerstört worden waren.

Der Rest ist Geografie.


Von Pavia ticinoaufwärts liegt der Lago Maggiore. An einem Seitenzweig dieses Sees liegt Ornavasso, wo bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts noch Walliserdeutsch gesprochen wurde. Von dort gehts weiter über das heutige Domodossola und die Oberwalliser und Berner Oberländer Pässe zum Thuner- und Vierwaldstättersee.

Entweder über den Simplon ins Oberwallis und weiter über die Gemmi oder den Lötschen an den Thunersee. Oder über den Gries und andere kleinere Pässe ins Obergoms und weiter über Grimsel und Brünig an den Vierwaldstättersee.

Vom Thunersee weiter durch das Emmental, den Aargau über den Jura an den Rhein. Und vom Vierwaldstättersee reussabwärts ebenfalls an den Rhein. Und weiter rheinabwärts in die karolingischen Kerngebiete am Seine, Mosel,  Maas und Niederrhein. Nach Saint Denis, Mainz, Köln und Aachen.

Im Vergleich zum Alpentransit von Pavia über die alten Römerstrassen am Grossen Sankt Bernhard im Westen und den Septimer im Osten, hatte die Verbindung über das Oberwalliser und Berner Oberländer Passsystem zwei gewichtige Vorteile. Sie war um einiges kürzer und verlief über weite Strecken entlang schiffbarer Flüsse. Ferner konnte die Südseite direkt von Pavia aus kontrolliert werden, wo fränkische bewaffnete Kräfe stationiert waren. Während in Ivrea und Aosta  sowie auch in Mailand und Como Lokalmachthaber residierten, die den Verkehr verlangsamen, verteuern oder ganz unterbrechen konnten.

Das grosse Problem für Pippin mit der neuen Schnellstrecke von Pavia in den Norden war die fehlende Verkehrsinfrastruktur in den zuvor wahrscheinlich noch nicht dauerhaft besiedelten Hochtälern nördlich und südlich des Berner Oberländer und Oberwalliser Passsystems.

Hier kommen die Alamannen ins Spiel. Etwa drei Jahrzehnte vor Pippins Eroberung von Pavia hatte dessen älterer Bruder Karlman das alte alamannische Herzogtum besiegt. Die fränkischen Grafen Ruthard und Warin und ihre Ritter haben das eroberte Gebiet reorganisiert.  Einzelne alamannische Sippschaften verliessen dem nunmehr fränkisch beherrschten Aargau, Thurgau und Zürichgau und sickerten seit dem Untergang Westroms nur noch dünn besiedelten Voralpengebiete am oberen Aarelauf ein, dem Grenzland zwischen Alamannen und Burgundern.

Auf dem Hintergrund der historischen Tatsache, dass die Hochtäler nördlich und südlich der Berner Oberländer und Oberwalliser Pässe bis zum Lago Maggiore noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts Walserdeutsch sprachen scheint plausibel, dass sich versprengten Alamannensippschaften auf der Suche nach neuen Existenzgrundlagen die nötigen Fähigkeiten zum Leben und Überleben im Hochgebirge aneigneten. Und sich das nötige Wissen und Können als Wegmacher und Säumer im Alpentransits erarbeiteten.

Wenn die These vom vergessenen Kaiserweg hinhaut, dann erfolgte die alamannische Besiedelung des Berner Oberlandes, Oberwallis und Val Toce (Eschental) bis zum Lago Maggiore nicht wie von der gängigen Mittelaltergeschichte angenommen durch langsame Rodung und Bewirtschaftung immer höherer Gebiete durch bäuerlicher Siedler im 8. und 9. Jahrhundert, sondern innert weniger Jahrzehnte nach Pippins Eroberung von Pavia durch die Einwanderung von Wegmachern und Säumern zur Organisation des Alpentransits.
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Wie es weiterging

Nach diversen Reichsteilungen unter den Söhnen und Enkeln von Karl dem Grossen im 9. Jahrhundert, folgte im 10. Jahrhundert die grosse Zeit des vergessenen Kaiserweges unter den Ottonen. 951 eroberte der Ostfrankenkönig Otto I. im Bündnis mit den Schwabenherzögen und den Burgunderkönigen das mittlerweilen von den Karolingern abgefallene Pavia. Der Ostfranke liess sich zum König von Italien krönen und machte Pavia auf den Spuren der Karolinger zu seinem Verwaltungszentrum. Er stieg gross in die italienische Politik ein, verbündete sich mit dem Papst der ihn 961 zum Kaiser des Römischen Reiches krönte. (Das Prädikat Heilig wurde erst 2. Jahrhunderte später beigefügt.)

Die ostfränkischen Neuauflage des alpenüberspannenden Karolingerreiches und Westroms gab dem vergessenen Kaiserweg von Pavia über den Lago Maggiore an den Thuner- und Vierwaldstättersee zu seine frühere geostrategische Bedeutung zurück.

Die Epoche der Ottonenkaiser war die goldene Zeit des Kaiserweges, was durch die einzigen Schriftquellen aus dem Thunerseegebiet indirekt belegt werden kann. Diese fünf Urkunden aus der Zeit kurz vor und nach 1000 liegen heute im Archiv der Abtei Saint Maurice und verbriefen Schenkungen und Verleihungen von Höfen in Kirchberg, Uetendorf, Wimmis, Oppligen, Münsigen, Bümplitz, Köniz und Schwarzenburg. Als Grundeigentümer sind Kaiser Otto III. genannt, ferner dessen Grossmutter Adelheid von Burgund, deren Bruder König Konrad III. von Burgund, sowie Konrads drei Söhne König Rudolf III. von Burgund, Erzbischof Burchhard von Lyon, auch Abt von Saint Maurice und Bischof Anselm von Aosta, auch Propst von Saint Maurice.

Warum hätten Kaiser Otto III. und die Burgunderkönige die zu den mächtigsten europäischen Herrscherdynastien ihrer Zeit gehörten im abgelegenen, machtpolitisch bedeutungslosen oberen Aareraum derart ausgedehnten Grundbesitz im unterhalten, wenn nicht zur Sicherung der Infrastruktur des Alpentransits von Basel nach Pavia?

Das Ende des vergessenen Kaiserweges

Unter den römisch-ostfränkischen Kaisern aus dem Geschlecht der Salier, welches die Ottonenkaiser ablöste, ging es mit Pavia rasch abwärts. Nachdem die Stadt den Saliern wiederholt den Treueeid verweigert hatte, wurde sie von Heinrich II. und Konrad II. zweimal stark zerstört. In der Folge verbündeten sich die Salierkaiser mit dem Erzbischof von Mailand, das Pavia bis Ende des 11. Jahrhunderts als wichtigste Stadt Oberitaliens ablöste.

Ungefähr gleichzeitig differenzierte sich der Verkehr über das Oberwalliser und Berner Oberländer Passsystem. Über den Simplon lief der wachsende Warentransit von Mailand durch das Unterwallis und den Jura zu den grossen Märkten in der Champagne. Während die Strecke Brünig-Grimsel-Gries als schnellster Kommunikationskanal zwischen Italien und den salischen Kerngebieten im Elsass, Wormsgau und Speyer am Mittelrhein von Bedeutung blieb.

Unter dem römisch-deutschen Kaisern  aus dem Geschlecht der Staufer, welches in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts die römisch-ostfränkischen Salier ablöste, erlebte der vergessene Kaiserweg unter Friedrich I. den die Italiener Barbarossa nannten seine letzte Blüte. Bevor die Erschliessung der Schöllenen, bzw. die dadurch entstandene bessere Verbindung vom Lago Maggiore zum Vierwaldstättersee zu Beginn des 13. Jahrhunderts der Strecke Brünig-Grimsel-Gries schliesslich den Garaus machte. Passierbar gemacht wurde die Schöllenen durch Wegmacher und Säumer aus dem Oberwallis die über die Furka ins Urseren eingewandert waren.

In der Folge sank die Grimsel-Gries-Passage trotz einiger Wiederbelebungsversuche der Berner im 14. und 15. Jahrhundert zur reinen Regionalverbindung ab. Während der Simplon seine Bedeutung im internationalen Warenverkehr zwischen Italien, Burgund, Frankreich und England behielt.

Die Wegmacher und Säumer am vergessenen Kaiserweg wandern aus

Nachdem ihre Ahnen während einem halben Jahrtausend vom Betrieb einer bedeutenden Alptransitstrecke für die Kaiser, Könige und Kaufleute Europas gelebt hatten, zwang der rasche Niedergang Brünig-Grimsel-Gries-Passage seit Beginn des 13. Jahrhunderts einen Teil der dortigen Wegmacher und Säumer in die Emigration.

Ihr jahrhundertealtes Wissen und Können im hochalpinen Wegbau und der Säumerei nahmen diese nunmehr Walser genannten Auswanderer mit. Vom Urserental aus überwanden sie die Reusskatarakte in der Schöllenen, öffneten so den Weg vom Gotthard ins Urnerland und verstärkten damit den Auswanderungsdruck auf die im Oberwallis zurückgebliebenen. Beim heutigen Bosco Gurin besiedelten die Walser zuvor nicht ganzjährig bewohnte Alpen des Comasker Klosters Sant'Abbondio. Und einige einige Jahrzehnte später schliesslich, holte Albert III. von Sax-Misox die ersten Walser zur Verbesserung Verkehrsinfrastruktur über den damals Vogelberg geheissenen San Bernardino vom Eschental ins rätische Rheinwald.

Geschichtsschreibung im urkundelosen Früh- und Hochmittelalter

Meine These vom vergessenen Kaiserweg kann sich wie eingangs erwähnt auf keine direkten Schriftquellen stützen. Die Berner Oberländer Pässe werden urkundlich alle erst nach 1200 erwähnt. Archäologische Befunde die eine solche Strecke indirekt stützen existieren hingegen sehr wohl. Etwa die oberitalienische Bauweise eins Dutzends über tausendjähriger Kirchen rund um den Thunersee. Oder die von Jonas Glanzmann im oberen Emmental entdeckten sechs zuvor unbekannten Burgstellen, die der Hobbyarchäologe im Zusammenhang mit einer von Historikern bisher unerwähnten, frühmittelalterlichen Verkehrsroute von Solothurn und Burgdorf durch das Emmental an den Thunersee interpretiert. Auch die merowingischen Denare aus der Mitte des 8. Jahrhunderts die beim Wittnauer Horn im Fricktal am Weg von Olten über den Jura zum Rhein gefunden wurden passen zur These des vergessenen Kaiserweges.

Unter universitären Berufshistorikerinnen und Historikern geniesst die Erforschung des frühmittelalterlichen Alpentransits auf dem Gebiete der Schweiz wenig Interesse. Thomas Maissen beispielsweise lässt sein Standardwerk Geschichte der Schweiz nach einigen spärlichen Bemerkungen zur Vorgeschichte der Drei Waldstätten erst im 14. Jahrhundert beginnen. Und verweist dabei zustimmend auf den Mediävisten Bernhard Stettler, der die Berner Oberländer Pässe vor 1200 mit dem Hinweis auf mangelnde Schriftquellen als rein lokale Übergänge verkannte.

Unsereiner bleibt die Hoffnung, dass sich eine jüngere Generation von Historikerinnen und Historikern für den Alpentransit im Früh- und Hochmittelalter im Lichte der Vorgeschichte der Drei Waldstätten zu interessieren beginnt.


Buchhinweis:
Hohe Berge - Enges Tal  Die Geschichte meiner Vorfahren zurück bis zu den rätischen Walsern und deren Ahnen aus dem Oberwallis. Von Gian Trepp, Fr 29.-. Zu beziehen bei amazon.de.


Montag, 14. Mai 2018

Post-Bergier-Schweizergeschichte

Von der Kolonisierung zur Globalisierung
Weshalb wir die Schweizer Geschichte neu denken sollten. 

Unter diesem Titel veranstalteten das Institut für Geschichte der ETH Zürich, das Interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung (IZFG) und das Historische Institut der Universität Bern Ende April eine Tagung.

Im Kern der Tagung stand die Frage, wie Gegenwart und Zukunft der Schweiz zu verstehen seien, wenn der globalisierte Zustand des Landes nicht als neues, sondern als historisches Phänomen betrachtet wird. 

Zum konkreten Inhalt der Tagung kann ich mich nicht äussern, da ich leider erst im Nachhinein davon erfahren habe. Zum Titel der Veranstaltung hingegen schon.

Dieser Veranstaltungstitel läutet die Post-Bergier-Schweizergeschichte ein.

Vor gut zwanzig Jahren haben die USA und einige jüdische Organisationen dem Bundesrat die Bergier-Historiker-Kommission aufgezwungen, welche die Geschichte der Schweiz zur Zeit des Dritten Reiches aus der Perspektive moralischer Schuld an Krieg und Holocaust erforschen musste. Und mit ihrer Arbeit zur Weltkriegsgeschichte den Blick auf die Schweizergeschichte seither wesentlich prägte.

Tempi passati. Heute wollen die Historischen Institute von ETH und der Uni Bern, sowie das IZFG die Schweizergeschichte neu denken. Gut so. Der Blick auf die Vergangenheit der Schweiz aus der Perspektive ihrer Einbettung in die Welt, eröffnet neue, zukunftsweisende Einsichten. Viel weiter zurück als bis ins 19. Jahrhundert.

Die Schweiz war nicht erst seit dem 19. Jahrhundert eng mit der Welt verflochten. Das Gebiet der heutigen Schweiz war seit je europäisches Durchgangsland. In der Antike und im Mittelalter hatte der Alpentransit geostrategische Bedeutung für die grossen, alpenüberspannenden Flachlandreiche jener Epochen. Nach der Entdeckung Amerikas schrumpfte dann die Bedeutung des Alpentransits für die grossen europäischen Reiche. Doch die Kapitalakkumulation im Söldnerwesen und aus der Landwirtschaft vermochten den Ertragsausfall im Alpentransits wettzumachen. Und ermöglichte den führenden Familien der Eidgenossenschaft Investitionen in die weltweite Politik europäischer Grossmächte.

Das Leitfossil der Schweizer Geschichte ist nicht der schollengebundene, freiheitsliebende Bauer, sondern der Wegmacher, Säumer, Spediteur, Händler, Söldner und Gschäftlimacher. 

Die Feldforschungen des Berner Hobby-Archäologen, Baufachmannes und Genieoffiziers Jonas Glanzmann zeigen die Erklärungskraft dieses Geschichtsbildes. Glanzmann hat im Emmental die Fundamente zahlreicher, bislang unbekannte Burgen und Wachtürme aus dem Früh- und Hochmittelalter erschlossen, die ihn einen Nord-Süd-Verkehrsweg vom mittleren Aareraum (heutiges Solothurn, Aarau, Olten) durch das Emmental zum Thunersee vermuten lassen, welcher den gelernten Mediävisten und Archäologen bislang verborgen blieb.

Glanzmanns Forschungen zu diesem vergessenen frühen Nord-Süd-Transitweg vom Thunersee in den mittleren Aareraum passen zu meiner unabhängig davon entwickelten These vom vergessenen Kaiserweg Karls des Grossen und des Heiligen Römischen Reiches, einer vergessenen früh- und hochmittelalterlichen Passverbindung  vom Thuner- und Vierwaldstättersee zum Lago Maggiore. (Mehr dazu in meinem neuen Buch "Hohe Berge - Enges Tal", zu beziehen bei amazon.de.)

Drüben bei der NZZ hat unterdessen auch Redaktor Marc Tribelhorn das neue Geschichtsbild der ETH- und Uni-Bern-Historiker begrüsst. Die Schweiz leide nicht an zu viel Geschichte, meinte er in seinem Bericht von der erwähnten Tagung, sondern an zu wenig – und der falschen. Die Schweiz sei weder der Saubermann noch der Bösewicht der Weltgeschichte, sondern eine eine Besonderheit der Geschichte, was mit nüchternem Blick statt mit Selbstgefälligkeit anerkennen werden sollte.

Die monierte Selbstgefälligkeit in der Geschichtsbetrachtung dürfte Tribelhorn wohl vor allem bei nationalkonservativen Historikern wie Markus Somm verorten. (Wer weiss, wenn Eric Gujer so weiterkutschiert wie bisher, wird Somm vielleicht doch noch NZZ-Chef, und damit auch der Chef von Tribelhorn, aber das ist eine andere Geschichte.)

Ob Tribelhorn mit der angeprangerten falschen Geschichte auch das Geschichtsbild des linksliberalen Historikers Thomas Maissen anvisiert, der den nüchternen Blick auf die Schweizergeschichte ebenfalls vermissen lässt, bleibt offen.

Jenem Thomas Maissen, der in seinem 2005 im NZZ-Verlag erschienen Buch "Verweigerte Geschichte" die Schweiz folgendermassen als Bösewicht der Weltgeschichte geisselte: "Die verweigerte Übernahme der universalisierten jüdischen Erinnerung hat mit anderen aussenpolitischen Konflikten der Schweiz vorgeführt, dass der Versuch aussichtslos ist, im Vertrauen auf überlebte Souveränitätskonzepte von marginalen Positionen aus eigene Geschichtsbilder, Werte und Spielregeln in die sich über Kontroversen konstituierende Weltgesellschaft einzubringen, wenn ein Land mehr bleiben will als eine folkloristische Steueroase oder ein historisches Relikt und Zollfreigebiet von Schlage Andorras."

Dienstag, 8. Mai 2018

Eric Gujers E-Mail-Newsletter für Deutschland: Problematisch für die Position des NZZ-Chefredaktors in der Schweiz

Am vergangenen Samstag propagierte NZZ-Chefredaktor Eric Gujer ein Bündnis von Deutschland und den USA gegen China und Russland. Seine Empfehlung an die deutsche Bundesregierung hat er allerdings nicht in der NZZ als Leitartikel publik gemacht, sondern versteckt als Bulletpoint in seinem E-Mail-Newsletter für Deutschland.

Hä? Habe immer gemeint ein NZZ-Chefredaktor verkündige wichtige Positionsbezüge seines Blattes in klaren Worten in der Samstagsausgabe. "Wehret den Anfängen" schrieb nach dem Globuskrawall 1968 ein Gujer-Amtsvorgänger - der später damit bestraft wurde, dass sich eines seiner Kinder den Maoisten anschloss, doch das ist eine andere Geschichte.

Gujers Bulletpoint im Newsletter stellt viele Fragen. Würde Gujer dem Schweizer Bundesrat dieselbe aussenpolitische Empfehlung geben - oder hat er dies vielleicht bereits getan?

Was meinen sie wohl drüben bei der UBS zu Gujers antichinesischer Generallinie,  der grössten Schweizer Bank die zurzeit im Reich der Mitte ein grosses Ausbauprogramm laufen hat.

Und NZZ-Redaktion? Ist das seit Gujers Machtantritt am Sechseläutenplatz rundumerneuerte Gremium bereit, den Boden der traditionellen Schweizer Neutralität zu verlassen, und in eine US-amerikanisch geführte Kampffront gegen China und Russland einzutreten?

Fragen über Fragen.

Montag, 16. April 2018

Mordfall Alboth: NZZ-Redaktor Marc Tribelhorn, der Journalismus und die Verschwörungstheorie

Der Mordfall Herbert Alboth ist eine unaufgeklärte Cause Célèbre der Schweizer Kriminalgeschichte aus dem Jahr 1990.

In der heutigen NZZ schreibt Redaktor Marc Tribelhorn, zuständig für historische Analysen und Sicherheitspolitik, über den interessanten Fall. Vereinfacht gesagt geht es dabei um die Frage ob es ein Mord im Schwulenmilieu war, Alboth war homosexuell, oder ein politscher Mord. Als Oberstleutnant war Alboth ein wichtiger Mann im Militärgeheimdienst, möglicherweise der Chef einer Vorgängerorganisation der Geheimarmee P-26.

Diese Alboth-Geschichte ist eine saftige Geschichte. Ein schwuler Sohnes eines deutschen Teppichhändlers, der, eingebürgert, eine schöne Militärkarriere machte, und im April 1970 mit seinem eigenen Bajonett im Bauche tot aufgefunden wurde.

Doch deswegen greife ich hier nicht in die Tasten.

Grund dafür ist der Schluss von Tribelhorns Alboth-Story.

Tribelhorn: "(1990) ........ gerät der rätselhafte Alboth-Mord rasch in den Hintergrund. Er ist bis heute nicht aufgeklärt - und nährt weiterhin Verschwörungstheorien. Auch wenn die Landesregierung auf einen Vorstoss des Sozialdemokraten Remo Gysin 2005 unmissverständlich antwortete: Der Bundesrat ′sieht sich beim gegenwärtigen Kenntnisstand zu keinen zusätzlichen Massnahmen veranlasst′".

Aha, wer die Meinung des Bundesrates zum ungelösten Mordfall von nationaler Bedeutung nicht teilt, ist ein Verschwörungstheoretiker.

Der Einsatz des Kampfbegriffes "Verschwörungstheorie" mit dem dieser NZZ-Redaktor in seiner Story Andersdenkende flächendeckend diffamiert ist kein Journalismus, sondern polit-populistischer Kampf um die Deutung der Schweizer Militärgeschichte.

Und das in einem Blatt, das in seinen aussenpolitischen Kommentaren, sowie in Chefredaktor Eric Gujers E-Mail-Newsletter für Deutschland, den Boden der Schweizer Neutralität zunehmend verlässt.

Dienstag, 3. April 2018

Der vergessene Kaiserweg Karls des Grossen und des Heiligen Römischen Reiches

Von der Mitte des 8. Jahrhunderts bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts existierte zwischen dem Grossen Sankt Bernhard im Westen und den Bündner Pässen im Osten eine transalpines Passsystem von europäischer Bedeutung.

Der vergessene Kaiserweg Karls des Grossen und des Heiligen Römischen Reiches vom Thuner- und Vierwaldstättersee über Gemmi/Lötschen-Simplon und Brünig-Grimsel-Gries zum Lago Maggiore.

Die gängige Historiografie des Aargaus, Emmentals und Berner Oberlandes im Früh- und Hochmittelalter hat diese dritte Transitstrecke über die Zentralalpen, entgegen ihrer grossen Bedeutung ebenso übersehen, wie die gängige Geschichtsschreibung der Lombardei - zumindest insoweit unsereins als Google-Historiker die italienische Geschichtsschreibung zu überblicken vermag.

Deutschsprachige Standardwerke über die Alpen und ihre Geschichte, etwa Die Alpen von Werner Bätzing oder Walser Volkstum von Paul Zinsli wissen nichts von dieser Alpentransitstrecke. Ebensowenig das Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz IVS. Und auch der Mittelalterhistoriker Bernhard Stettler, der die Geschichte des oberen Aareraumes im Früh- und Hochmittelalter studierte, hat die Bedeutung des Berner Oberländer und Oberwalliser Passsystems für die damaligen grossen alpenüberspannenden Reiche verkannt.

Auf diesen vergessenen Kaiserweg bin ich im Laufe meiner Recherche über meine Vorfahren aus dem Rheinwalder Walsergeschlecht der Trepp gestossen, deren Ahnen in den 1270er Jahren vom Oberwallis ins Rheinwald gekommen waren.

Genauer gesagt aus dem damals bis zum Lago Maggiore deutschsprachigen Eschental (Italienisch Val Toce) das zum Simplon und zum Griespass und weiter ins Wallis führt.

Da die alamannischen Ahnen der Walser Deutsch, besser Höchstalemannisch sprachen, lag die Beschäftigung mit den Pässen Gemmi, Lötschen und Grimsel auf der Hand, die vom Wallis ins Berner Oberland führen.

Dabei musste ich feststellen, dass das Historische Lexikon der Schweiz und die greifbaren historischen Darstellungen die alamannische Besiedelung des Berner Oberlandes nur vage auf das 8. bis 10. Jahrhundert datieren. Das war mir zuwenig gut und ich machte mich auf die Suche nach einschlägigen Informationen.

Ich bin nicht Historiker sondern Ökonom. Die Methode meiner Recherchen zur Geschichte der Rheinwalder Walser und ihrer Oberwalliser Ahnen vom 8. bis zum 13. Jahrhundert möchte ich mit Longue Durée plus Big Data bezeichnen.

Longue Durée verstanden im Sinne des französischen Historikers Fernand Braudel, der Geschichte nicht als Aneinanderreihung von Einzelereignissen verstand, sondern als Erschliessung der Vergangenheit im Kontext der Einwirkung geografischer Strukturen auf die langfristigen Veränderungen sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse – hier des Alpentransits. Big Data im Sinne des Sammelns möglichst vieler relevanter Informationen aus möglichst vielen Quellen unter Einsatz von Suchmaschinen zur Durchforstung digitalisierter Quellenbestände.

Die damit gewonnenen Erkenntnisse ermöglichten mir einen neuen Blick auf die frühmittelalterliche alamannische Besiedelung des Berner Oberlandes, Oberwallis und Eschentals. Und legten den vergessenen Kaiserweg frei, der sowohl für die Vorgeschichte der Drei Waldstätte Uri, Schwyz und Unterwalden, sowie auch für die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches von Bedeutung ist.

Mein neues Buch Hohe Berge - Enges Tal, das die Geschichte dieses vergessenen Kaiserweges erzählt, kann hier bezogen werden.

Donnerstag, 15. März 2018

Für elektronisches Zentralbankengeld - Dirk Niepelt kritisiert die Irrläufer Reto Föllmi und Fabian Schnell

Private Kryptowährungen und digitales Zentralbankengeld sind zwei paar Schuhe.

Private Kryptowährungen (Bitcoin, Ripple, etc.) sind anonyme, virtuelle Wertobjekte, die sich weniger für den Zahlungsverkehr eignen, als zur Spekulation.

Digitales Zentralbankengeld oder elektronische Banknoten sind das Aequivalent der jeweiligen Währungseinheit.

Der elektronische Franken beispielsweise, ist das Aequivalent der Münzen und gedruckten Frankennoten: 1 E-Franken = 1 Frankenmünze; 1000 E-Franken = 1 Tausendernote.

Der E-Franken der Nationalbank ist eine neue elektronische Geldsorte der Nationalbank zur Ergänzung des heutigen elektronischen Buchgeldes auf dem Konto einer privaten Bank.

Anders gesagt ist E-Cash ein Zahlungsmittel für das allgemeine Publikum und alle Unternehmen im weltweiten elektronischen Zahlungsverkehr, ohne Zwischenschaltung des heutigen elektronischen Buchgeldes auf dem Konto einer privaten Bank.

Zurzeit ventilieren diverse Zentralbanken Ideen, wie das Prinzip der elektronischen Banknote konkret ausgestaltet werden könnte.

Davon haben anscheinend HSG-Professor Reto Föllmi und Avenir-Suisse-Geldpolitikexperte Fabian Schnell noch nichts mitbekommen (NZZ 17.2.18).

In seinem Gastkommentar in der heutigen NZZ kanzelt Prof. Dirk Niepelt, Chef der Nationalbank-Denkfabrik Gerzensee, Föllmi und Schnell meines Erachtens zu Recht, als konfuse Irrläufer ab, welche ihre Kritik am Kryptogeld fälschlicherweise mit der laufenden Diskussion um digitales Zentralbankengeld verknüpfen.

In seinem Kommentar erwähnt Niepelt Argumente für und gegen das digitale Zentralbankengeld und betont, dass sich die Schweiz einer ökonomischen Abwägung dieser Argumente nicht verschliessen sollte.

Als eines der stärksten Argumente dafür gilt ihm die dadurch erreiche verminderte Erpressbarkeit der Zentralbank.

Angewendet auf die Schweiz ist das ein hochaktuelles Argument.

Als Folge der unkonventionellen Geldpolitik seit der Finanzkrise vor 10 Jahren entstanden enorme überschüssige Giroguthaben des Bankensystems bei der Nationalbank.

Diese für die Geldpolitik schädlichen Überschüsse sind mittlerweilen höher als das Eigenkapital plus die Reserven und müssen reduziert werden.

Darüber sollten sie in Bern oben gelegentlich auch mal debatieren.


Donnerstag, 8. März 2018

Mein Verleger Jeff Bezos

Ein grosser Moment für einen Buchautor.

Heute brachte mir der Pöstler das erste Exemplar meines neuen Buches "Hohe Berge - Enges Tal", das die Geschichte meiner Vorfahren zurück zu den rätischen Walsern und deren Ahnen im Oberwallis erzählt.

Gesetzt und gestaltet wurde das Buch von mir selbst in Zürich - and believe me folks, the typesetting wasn't that easy.  Produziert wird der Titel im On-Demand-Verfahren von einer Amazon-Druckerei in Columbia, South Carolina, USA. Der Vertrieb läuft über amazon.de.


Link Hohe Berge - Enges Tal. Vielen Dank an alle die es kaufen und lesen wollen.

Meine vier bisherigen Bücher sind bei den drei Kleinverlagen Union, Limmat und Rotpunkt erschienen, die Mitte der 1970er Jahre aus der Zürcher Linken entstanden sind.

Mein neuestes Buch wollten sie dort nicht mehr haben. Der alte Buchprofi Lucien Leitess meinte, der Text passe in kein Genre, während der etwas jüngere Buchprofi Erwin Künzli mir riet, doch lieber einen Roman über meine Kindheit und Jugend in den Zürcher Stadtkreisen 4 und 5 zu schreiben.

Der reichste Mann der Welt Jeff Bezos nimmt jeden, der etwas zu sagen hat.

Montag, 5. März 2018

Wem gehören die Devisen- und Goldreserven der Nationalbank?

Heute veröffentlichte die Nationalbank (SNB) ihre Buchhaltung für das Jahr 2017.

Demnach verfügt die SNB über ein Vermögen von 830 Milliarden Franken. Nämlich Devisenreserven von 790 Milliarden und Goldreserven von 40 Milliarden. (Auf 10 Milliarden gerundet.)

Das ist enorm viel Geld. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandprodukt, also der Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die 2017 in der Schweiz hergestellt wurden beträgt 660 Milliarden Franken.

Wem gehört dieses gigantische Vermögen?

Darüber informiert die Passivseite der Bilanz welche die Nationalbank-Schulden gegenüber Dritten festschreibt.

Demnach schuldet die Nationalbank zahlreichen in- und ausländischen Banken 530 Milliarden Franken. Dazu kommen diverse andere Schulden von 90 Milliarden, der Banknotenumlauf von 80 Milliarden sowie das Eigenkapital und die Reserven von 140 Milliarden.

Zwei Drittel des Nationalbank-Vermögens gehören den etwas über 250 nationalen und internationalen privaten Banken und Finanzinstitutionen, die ein Girokonto bei der SNB haben.

Diese historisch beispiellose Situation ist eine Folge der unkonventionellen Geldpolitik der SNB seit der Finanzkrise vor 10 Jahren. Sprich die jahrelangen Schwächung des Euro-Frankenkurses durch Ankauf von Euros durch die SNB.

Diese Euro hat die SNB via die erwähnten Girobanken gekauft und dafür selbtstgeschöpftes elektronischen SNB-Girogeld auf deren SNB-Girokonten überwiesen.

Weil die privaten Banken die für die SNB gekauften Euros nicht mit dem SNB-Girogeld bezahlt haben, sondern mit von ihnen selbst geschöpften Kreditgeld, liegt dieses SNB-Girogeld heute als 530-Milliarden-Gutschrift auf den Girokontos der Banken bei der SNB.

Okay, tönt vielleicht ein bisschen kompliziert, läuft aber auf folgendes hinaus: Der grösste - leistungslose! - Profiteur der unkonventionellen Geldpolitik von Philipp Hildebrand und Prof. Thomas Jordan sind die SNB-Girobanken.

Für den prominenten neoliberalen Geldtheoretiker Prof. Ernst Baltensberger, hat das private Bankensystem damit noch nicht genug profitiert. In einem NZZ-Artikel schrieb er unlängst folgendes: "Die SNB schliesslich kann mit der Ausgabe von 'SNB-Bills' die Giroguthaben durch eigene verzinsliche Schuldpapiere ersetzen." (NZZ, 22.2.18)

Bislang sind die 530 Milliarden Giroguthaben unverzinst. Sollte Baltensberger-Schüler und Nationalbankchef Thomas Jordan der Anregung seines alten Professor folgen, und die Giroguthaben unter anderem Namen verzinsen, dann bekommen die UBS, Credit Suisse, ZKB, Raiffeisen & Co. zukünftig von der Nationalbank eine Subvention.

Ich aber wundere mich, weshalb die Politiker aller Parteien die überschüssigen Fremdwährungsreserven und Girogelder in der Nationalbankbilanz ignorieren.

PS: Das Vermögen der Nationalbank gehört dem Volk und nicht den privaten Banken

Sonntag, 25. Februar 2018

Bitcoin, Blockchain und der Elektronische Franken

Die Idee einer elektronischen Banknote und das Internet widersprechen sich diametral.

Die Übertragung von Daten via Internet-Browser beruht auf dem Prinzip Vervielfältigung — dieser Blogpost wird (hoffentlich) von 1001 Webbrowsern kopiert  —,  während der der Witz der Banknote gerade darin besteht, dass sie nicht vervielfältigt, sondert als Unikat von Person zu Person übertragen wird.

In der Frühgeschichte des Datenverkehrs von Computer zu Computer vor 1990 (Arpanet),  spielte dieser Widerspruch noch keine Rolle. Die Kommerzialisierung des Internets nach dem Durchbruch des Netscape-Browsers 1993/94 rückte dann die Problematik der anonymen Direktzahlung auf dem Netz in den Vordergrund.

Weil die grossen Banken Mitte der 1990er Jahre kein Interesse an der Entwicklung des elektronischen Zahlungsverkehrs zeigten, entwickelten Peter Thiel und andere im Silicon Valley den Bezahldienst PayPal, mit dem Geld einfach und schnell gesendet und empfangen werden konnte. Allerdings nicht anonym, sondern zwischen identifizierten PayPalkontos die über ein Bankkonto mit Zentralbanken aufgefüllt werden müssen.

Im Februar 2000 war ich an einer Finanzkryptografie-Konferenz in Anguilla und hörte dort Thiel und andere Cracks der damaligen Finanzkryptoszene. Sie redeten vor allem über die Anonymisierung des Individuums auf dem Netz. Vom Problem des mehrmaligen Zahlens mit dem gleichen elektronischen Geld redete keiner.


                                   
Schluss der Teilnehmerliste

Dann kamen 9/11, der Irakkrieg und der Krieg gegen den Terrorismus. Die Welt wandelte sich fundamental. Die Anonymisierung des einzelnen Internetsurfers war politisch nicht mehr korrekt. Das amerikanische Naval Research Lab, die Bell Labs, IBM Research und die US-Eliteunis verlagerten ihre Ressourcen auf politisch korrekte Forschungsfelder.

Später verlagerten die Satoshi-Nakamotos ihre Aktivitäten auf das Problem der Verhinderung von Mehrfachzahlungen mit elektronischem Geld. Sie lösten dieses Problem 2009 mit der Blockchain-Technik. Die neue Technik koppelten sie mit der Anonymisierung der Transaktion und der Schöpfung eines neuen nicht-Zentralbanken-Geldes zum elektronischen Kyptogeld Bitcoin.

Die seitherigen Erfahrungen mit Bitcoin haben die Frage aufgeworfen, inwieweit diese neue Geldsorte die drei klassischen Funktionen des Geldes erfüllen kann. Also gleichzeitig Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel sowie Wertmesser und Recheneinheit zu sein.

Vieles spricht dafür, dass staatlich unregulierte Kryptowährungen wie Bitcoin und andere kein Geld im klassischen Sinne sind, sondern von der Realwirtschaft entkoppelte Spekulationsvehikel der neuen Art.

Je mehr der Staat solche nicht-Zentralbanken-Kryptowährungen reguliert, desto mehr geht die Anonymität flöten. Je weniger der Staat reguliert, desto wilder schwankt der in Zentralbankengeld ausgedrückte Wert.

Das Beste an Bitcoin ist die Blockchain-Technologie. Eine wichtige von vielen Anwendungsmöglichkeiten dieser Technologie sind elektronischen Banknoten von Zentralbanken. Solches E-Cash ist klassisches Geld im Sinne der Dreifaltigkeit von  Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Wertmesser und Recheneinheit.

Rein technisch können alle Zentralbanken E-Cash ausgeben. Für welche Währungen sich das lohnt ist allerdings eine geldpolitische Frage, die nur im wirtschaftspolitischen Gesasamtkontext des betreffenden Währungsraumes beantwortet werden kann.

Was die Frankenwährung betrifft scheint die Schaffung eines E-Frankens auf einer SNB-Blockchain aus heutiger Gesamtsicht der Entwicklungsperspektiven des Wirtschaftsraumes Schweiz empfehlenswert. Dies aus folgenden Gründen:

  • Es darf davon ausgegangen werden, dass die elektronische Form der Hartwährung Franken überall auf der Welt gleich gut akzeptiert wird wie die Schweizer Banknoten. 
  • Der E-Franken verkörpert das Gute am Vollgeld ohne dessen Nachteile. Wer dem Buchgeld des Bankensystems misstraut, kann mit E-Franken 100 prozentiges Nationalbankgeld halten.
  • Der E-Franken löst das grösste Problem der unkonventionellen SNB-Geldpolitik sei der Finanzkrise vor zehn Jahren. Nämlich der enorme, weiterwachsende Anteil des überschüssign SNB-Girogeldes an der Notenbankgeldmenge. (Die Notenbankgeldmenge besteht aus Banknoten und SNB-Girogeld) Vor zehn Jahren war betrug das Verhältnis Banknoten zu SNB-Girogeld ungefähr 10:1, seither hat sich dieses Verhältnis umgekehrt und beträgt etwa 1:8. 

Mit der Ausgabe von, sagen wir 250 Milliarden E-Franken auf einer SNB-Blockchain schlägt die Nationalbank zwei Fliegen auf einen Schlag. Zum einen macht die Digitalisierung der Schweizer Währungsordnung den Franken fit für direkte "Peer-to-Peer"-Zahlungen ohne Zwischenschaltung von Banken oder Kreditkarten. Und zum anderen ermöglicht die neue elektronische Geldsorte die drängende Restrukturierung der Passivseite der SNB-Bilanz.

SNB-Direktoriumspräsident Thomas Jordan verfolgt und analysiert die Entwicklungen des Digitalgeldes, steht jedoch der Idee des elektronischen Frankens kritisch gegenüber, wie er an einer Rede vor der Zürcher Volkswirtschaftlichen Gesellschaft am 16. Januar betonte.

Tja — Wie meinte doch der bekannte Ökonom Rudolf Strahm im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» vom 10. Januar 2018: «Thomas Jordan ist ein ängstlicher Mensch und scheut Reformen».

Samstag, 10. Februar 2018

Liberal, liberaler, ordoliberal - Die NZZ und der wahre Liberalismus


"Die Schwäche der SP nach dem abrupten Rücktritt ihrer Stadträtin Nielsen erhöht die Chancen für eine liberalere Politik (in Zürich)",  schreibt Irène Troxler, Ressortleiterin Zürich und Region, in der heutigen NZZ.

"Ich bin auch eine Ordoliberaler", outete sich NZZ-Wirtschaftsredaktor Jürg Müller am letzen Montag an der Tagung "Unser Geld, unsere Banken, unser Land" im Gottlieb Duttweiler Institut.

«Wir sind ordoliberal. Sie könnten auch neoliberal sagen.» sagte Eric Gujer bei seiner Wahl zum NZZ-Chefredaktor vor drei Jahren dem Tages-Anzeiger.

Der Ordoliberalismus ist eine ursprünglich deutsche Spielart des Liberalismus, die im Unterschied zum austro-amerikanischen Neoliberalismus den Staat nicht aus der Wirtschaft verbannt, sondern die oberste Ordnungsfunktion zuweist. Der Kern des Ordoliberalismus ist die Vorstellung, dass der Wettbewerb staatliche Leitplanken braucht. Konzipiert wurde die staatsinterventionistische Liberalismusvariante von Ökonomen wie Walter Eucken oder Franz Böhm gegen Ende der 1930er Jahre an der Uni Freiburg im Breisgau.

Der Ordoliberalismus war das wettbewerblich-liberale Korrektiv der nationalsozialistischen Plan- und Kartellwirtschaft. Diese wollten Eucken und Böhm nach Kriegsende so oder so abschaffen, ob die Nazis den Krieg gewonnen oder verloren hatten. Die beiden verstanden den Wettbewerb nach dem Vorbild der antiken Olympiade als staatlich geregelten Leistungswettbewerb von Gleichberechtigten. Nicht als Verdrängungskrieg des Stärkeren gegen den Schwächeren im Sinne des "winner-takes-all" Prinzips des austro-amerikanischen Neoliberalismus von Friedrich A. Hayek, Milton Friedman und Ayn Rand.

Die besten Ordoliberalen Zürichs finden sich heute bei der SP (inkl. AL),  den Grünen und den Grünliberalen. Die gute Hoffnung von NZZ-Lokalchefin Troxler auf eine "liberalere" Politik nach dem Ausscheiden Nielsens könnte schon bald enttäuscht werden. Spätestens dann, wenn ökologisch, verkehrspolitisch oder sozial motivierte Eingriffe in die Metropolitanraumökonomie erfolgen.

Der Begriff "Liberal" ist eine Worthülse, Troxlers Steigerungsform "liberaler" ist eine Worthülse im Quadrat. Im Vergleich mit dem ordoliberalen Kollegen Müller von der Wirtschaftsredaktion hinkt die Lokalchefin damit weltanschaulich weit zürück.

Fehlt noch mein Kommentar zur "Ordoliberal-Neoliberal-Scheissegal-Haltung" des Chefredaktors.

Damit ist Eric Gujer publizistisch bereits mehrmals aufgelaufen. In der Innenpolitik mit seinem weitherum auf Ablehung gestossenen "NoBillag-Editorial",  mit dem er es sowohl der neoliberal-libertären, als auch der ordoliberalen Strömung Recht machen wollte.

Oder in der Aussenpolitik, wo Gujer in seinem E-Mail Newsletter für den grossen Kanton Frustration zum deutschen Wahlergebnis und der Regierungsbildung verbreitet, statt seine Leserschaft durch analytische Tiefenschärfe zu überzeugen.

Dies, weil Gujer meines Erachtens nicht versteht oder nicht sehen will, dass die Fortsetzung der GroKo auf dem ordoliberalen Wirtschaftsprogramm von CDU, CSU und SPD fusst.

Angela Merkel steht auf den Schultern der Sozialen Marktwirtschaft, die Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard nach dem Krieg im Sinn und Geist von Walter Eucken und Franz Böhm konzipierten. Und auf dieser Basis war ein Bündnis mit der FDP von Christian Lindner nicht möglich.


Montag, 29. Januar 2018

WEF für Fortgeschrittene: Palantir at the gate

Palantir war die einzige Unternehmung am WEF, die letzte Woche auf beiden Seiten der Davoser Promenade einen gestylten Holzbau aufgebaut hatte.

Bemerkenswert auch die Gespräche von Palantir-CEO Alex Karp mit Bundespräsident Alain Berset (SP).

Warum?

Palantir, muss man wissen, ist eine "big data cum machine intelligence" Firma an der Schnittstelle zwischen dem Nationalen Sicherheitsstaat USA, und der kommerziellen Entwicklung und Bewirtschaftung der  elektronischen Wolke durch die US-IT-Monopole.

Während Amazon, Google, Facebook von der kommerziellen Seite her zur Cloud kamen, wurde Palantir dank Aufträgen von NSA und Pentagon als "defence contractor" gross, und hat erst später begonnen, seine mit Staatsaufträgen entwickelten Big-Data-Produkte an kommerzielle Abnehmer zu verkaufen.

Top Produkte von Palantir sind Gotham  (GOTHAM: Integrate, manage, secure, and analyze all of your enterprise data) und Foundry (FOUNDRY: Amplify and extend the power of data integration.

Falls Alain Berset daran denkt, die IT-Systeme des Bundes mit Gotham und Foundry aufzupeppen, sollte er seine IT-Cracks darauf ansetzen, allfällig eingebaute NSA Hintertüren zu schliessen. 

Mittwoch, 10. Januar 2018

Figgi und Mühli - Wie der Franken von der chronischen Eurokrise profitiert

Figgi und Mühli heisst die Spielstellung beim Mühlespiel bei der mit einem Zug eine bestehende Mühle geöffnet, und dabei gleichzeitig eine offene Mühle geschlossen wird.

Genau so ist heute der Franken zum Euro positioniert.

Wenn der Kurs des Frankens im Verhältnis zum Euro sinkt, wie im vergangenen Jahr 2017 der Fall, dann steigt der in Franken ausgedrückte Wert der ungefähr 300 Milliarden Euros, welche die Nationalbank (SNB) als Devisenreserve in ihrer Bilanz ausweist.

Die Steigerung des Frankenwertes der SNB-Eurobestände ist die Hauptquelle für den historisch beispiellos hohen Gewinn von 53 Milliarden Franken der Nationalbank im vergangenen Jahr. (Die zweite Quelle des Gewinns sind die Dividenden der enormen Nationalbank-Aktienanlagen.)

Wenn der Frankenkurs im Verhältnis zum Euro steigt, wie von 2008 bis 2016 der Fall, verfügt die SNB einen Mindestkurs, wie von 2011 bis 2014, den sie mit unlimitierten Eurokäufen erzwingt. Oder schwächt den Aufwertungsdruck ab, wie von 2014 bis Anfang 2017, indem sie in beiden Fällen Euros gegen aus dem Nichts geschaffene Franken kauft.

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007 hat die SNB selbstgeschöpfte Franken gegen etwa 300 Milliarden Euro getauscht, mit denen sie Aktien und Obligationen in Fremdwährungen kaufte. Anders ausgedrückt hat die SNB mit selbstgedruckten Franken ein in der Realwirtschaft anderer Währungsräume investiertes Vermögen aufgebaut.

Während die Europäische Zentralbank, das US-Fed, die Bank of Japan oder die Bank of England in den gleichen Jahren mit selbstgedrucktem Geld Schuldverschreibungen in der Währung ihres eigenen Staates aufkauften.

Das für den Wirtschaftsraum Schweiz vorteilhafte "Figgi-Mühli-Tauschgeschäft" Papierfranken gegen reale Euros funktionierte, und funktioniert nach aller Voraussicht auch weiterhin, weil der Franken seit je die Hartwährung Europas ist.

Seit ihrer Einführung 1848 musste die Frankenwährung nur ein einziges Mal 1936 abgewertet werden. Während die Deutsche Mark, der Französische Franc, die Italienische Lire, die Griechische Drachme und die anderen Vorgängerwährungen des Euros in der gleichen Zeitspanne in unzähligen Krisen und Kriegen wiederholt verdampften.

Der historisch beispiellos hohe SNB-Gewinn im Jahre 2017 ist die Kehrseite der ungelösten Krise des Euro in der Währungslandschaft Europas von Portugal bis zum Ural - 53 Milliarden Dividende für den monetären Sonderfall Schweiz.