Montag, 16. April 2018

Mordfall Alboth: NZZ-Redaktor Marc Tribelhorn, der Journalismus und die Verschwörungstheorie

Der Mordfall Herbert Alboth ist eine unaufgeklärte Cause Célèbre der Schweizer Kriminalgeschichte aus dem Jahr 1990.

In der heutigen NZZ schreibt Redaktor Marc Tribelhorn, zuständig für historische Analysen und Sicherheitspolitik, über den interessanten Fall. Vereinfacht gesagt geht es dabei um die Frage ob es ein Mord im Schwulenmilieu war, Alboth war homosexuell, oder ein politscher Mord. Als Oberstleutnant war Alboth ein wichtiger Mann im Militärgeheimdienst, möglicherweise der Chef einer Vorgängerorganisation der Geheimarmee P-26.

Diese Alboth-Geschichte ist eine saftige Geschichte. Ein schwuler Sohnes eines deutschen Teppichhändlers, der, eingebürgert, eine schöne Militärkarriere machte, und im April 1970 mit seinem eigenen Bajonett im Bauche tot aufgefunden wurde.

Doch deswegen greife ich hier nicht in die Tasten.

Grund dafür ist der Schluss von Tribelhorns Alboth-Story.

Tribelhorn: "(1990) ........ gerät der rätselhafte Alboth-Mord rasch in den Hintergrund. Er ist bis heute nicht aufgeklärt - und nährt weiterhin Verschwörungstheorien. Auch wenn die Landesregierung auf einen Vorstoss des Sozialdemokraten Remo Gysin 2005 unmissverständlich antwortete: Der Bundesrat ′sieht sich beim gegenwärtigen Kenntnisstand zu keinen zusätzlichen Massnahmen veranlasst′".

Aha, wer die Meinung des Bundesrates zum ungelösten Mordfall von nationaler Bedeutung nicht teilt, ist ein Verschwörungstheoretiker.

Der Einsatz des Kampfbegriffes "Verschwörungstheorie" mit dem dieser NZZ-Redaktor in seiner Story Andersdenkende flächendeckend diffamiert ist kein Journalismus, sondern polit-populistischer Kampf um die Deutung der Schweizer Militärgeschichte.

Und das in einem Blatt, das in seinen aussenpolitischen Kommentaren, sowie in Chefredaktor Eric Gujers E-Mail-Newsletter für Deutschland, den Boden der Schweizer Neutralität zunehmend verlässt.

Dienstag, 3. April 2018

Der vergessene Kaiserweg Karls des Grossen und des Heiligen Römischen Reiches

Von der Mitte des 8. Jahrhunderts bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts existierte zwischen dem Grossen Sankt Bernhard im Westen und den Bündner Pässen im Osten eine transalpines Passsystem von europäischer Bedeutung.

Der vergessene Kaiserweg Karls des Grossen und des Heiligen Römischen Reiches vom Thuner- und Vierwaldstättersee über Gemmi/Lötschen-Simplon und Brünig-Grimsel-Gries zum Lago Maggiore.

Die gängige Historiografie des Aargaus, Emmentals und Berner Oberlandes im Früh- und Hochmittelalter hat diese dritte Transitstrecke über die Zentralalpen, entgegen ihrer grossen Bedeutung ebenso übersehen, wie die gängige Geschichtsschreibung der Lombardei - zumindest insoweit unsereins als Google-Historiker die italienische Geschichtsschreibung zu überblicken vermag.

Deutschsprachige Standardwerke über die Alpen und ihre Geschichte, etwa Die Alpen von Werner Bätzing oder Walser Volkstum von Paul Zinsli wissen nichts von dieser Alpentransitstrecke. Ebensowenig das Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz IVS. Und auch der Mittelalterhistoriker Bernhard Stettler, der die Geschichte des oberen Aareraumes im Früh- und Hochmittelalter studierte, hat die Bedeutung des Berner Oberländer und Oberwalliser Passsystems für die damaligen grossen alpenüberspannenden Reiche verkannt.

Auf diesen vergessenen Kaiserweg bin ich im Laufe meiner Recherche über meine Vorfahren aus dem Rheinwalder Walsergeschlecht der Trepp gestossen, deren Ahnen in den 1270er Jahren vom Oberwallis ins Rheinwald gekommen waren.

Genauer gesagt aus dem damals bis zum Lago Maggiore deutschsprachigen Eschental (Italienisch Val Toce) das zum Simplon und zum Griespass und weiter ins Wallis führt.

Da die alamannischen Ahnen der Walser Deutsch, besser Höchstalemannisch sprachen, lag die Beschäftigung mit den Pässen Gemmi, Lötschen und Grimsel auf der Hand, die vom Wallis ins Berner Oberland führen.

Dabei musste ich feststellen, dass das Historische Lexikon der Schweiz und die greifbaren historischen Darstellungen die alamannische Besiedelung des Berner Oberlandes nur vage auf das 8. bis 10. Jahrhundert datieren. Das war mir zuwenig gut und ich machte mich auf die Suche nach einschlägigen Informationen.

Ich bin nicht Historiker sondern Ökonom. Die Methode meiner Recherchen zur Geschichte der Rheinwalder Walser und ihrer Oberwalliser Ahnen vom 8. bis zum 13. Jahrhundert möchte ich mit Longue Durée plus Big Data bezeichnen.

Longue Durée verstanden im Sinne des französischen Historikers Fernand Braudel, der Geschichte nicht als Aneinanderreihung von Einzelereignissen verstand, sondern als Erschliessung der Vergangenheit im Kontext der Einwirkung geografischer Strukturen auf die langfristigen Veränderungen sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse – hier des Alpentransits. Big Data im Sinne des Sammelns möglichst vieler relevanter Informationen aus möglichst vielen Quellen unter Einsatz von Suchmaschinen zur Durchforstung digitalisierter Quellenbestände.

Die damit gewonnenen Erkenntnisse ermöglichten mir einen neuen Blick auf die frühmittelalterliche alamannische Besiedelung des Berner Oberlandes, Oberwallis und Eschentals. Und legten den vergessenen Kaiserweg frei, der sowohl für die Vorgeschichte der Drei Waldstätte Uri, Schwyz und Unterwalden, sowie auch für die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches von Bedeutung ist.

Mein neues Buch Hohe Berge - Enges Tal, das die Geschichte dieses vergessenen Kaiserweges erzählt, kann hier bezogen werden.